++ ESSAYS  III

++ Peter Weibel
++ Gregor Jansen
++ Huang Du
++ Nicole Wong
++ Nancy Adajania
++ Eugene Tan
++ Yukie Kamiya
++ Pi Li
++ Josef Ng


++ Huang Du: Welches Asien? Warum Asien?
++ Freier Kurator und Kunstkritiker, Mitwirkender Kurator der Ausstellung

Wenn die Rede von "asiatischen Themen" ist, spricht man tatsächlich innerhalb jener vom europäischen Egozentrismus vorgegebenen Denkmuster, denn die Wahrnehmung der Region wird von der Geschichte des westlichen Egozentrismus überschattet. Eine andere Sicht richtet sich auf jenen imaginativen Raum einer politischen Struktur jenseits der Nationalstaaten innerhalb Asiens. Die Vorstellung des Nationalstaatlichen betrachtet den Nationalstaat als einen Kern. Wenn wir uns einen supra-nationalen Raum annehmen, so sollte dies mit einer nationalen Perspektive geschehen, die eine Kritik an der Zentrierung des Nationalstaates als Kern ausübt. Eine solche Überlegung, die Idee der Globalisierung durch eine regionale politische Struktur abzufangen und zu überprüfen, wurde zweifelsohne von der Europäischen Union beeinflusst und geprägt. Europa hat neue wirtschaftliche und politische Strukturen jenseits der ursprünglichen Nationalstaaten herausgebildet, um den Herausforderungen durch die Globalisierung zu begegnen. Natürlich basiert die europäische Kulturentwicklung auf der gesamten politischen Struktur diese supra-nationalen Staatsgebildes. Aus diesem Grunde - um diesem Kontrast gerecht zu werden – scheinen asiatische Themenstellungen so dringlich und wichtig. Da die Kunst eine Form kultureller Ideale darstellt, ist es von ganz besonderer praktischer Bedeutung die Möglichkeit eines übergeordneten Asiens in der künstlerischen Imagination herauszubilden.
++ Auszug aus dem Ausstellungskatalog Thermocline of Art. New Asian Waves

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++ Nicole Wong: Hong Kong: zurückgeforderte Zeit, zurückgeforderter Raum
++ Freie Kuratorin, Direktorin des Festivals "Microwave International, New Media Arts Festival 2006", Hong Kong, Mitwirkende Kuratorin der Ausstellung

Hongkong wurde einst eine "kulturelle Wüste" genannt. Ich bin mir nicht sicher, ob es dort wirklich keinerlei Kultur gab oder ob es eine reichhaltige Kultur gab, aber die Menschen waren nicht bereit, sie mit voller Tragweite zur Diskussion zu stellen. Als eine der bedeutensten Hafenstädte Asiens dient die Stadt naturgegeben als Umschlagpunkt nicht nur von Waren, sondern ebenso von Kunst, Ideen, Lebensstilen, Sprachen und Sozialpraktiken. Als Stadt bot sie Generationen von Flüchtlingen, die aus wirtschaftlichen oder politischen Gründen ihre Heimat verlassen mussten, eine Zuflucht. Es mag stimmen, dass Migranten die von ihnen verlassene Kultur zeitweilig verdrängen, um sich ganz unmittelbar auf den Aufbau eines neuen Lebens zu konzentrieren. So verändert sich die Kultur behutsam angesichts der alltäglichen Anstrengungen, sich eine bessere materielle Zukunft zu sichern.
++ Auszug aus dem Ausstellungskatalog Thermocline of Art. New Asian Waves

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++ Nancy Adajania: Wechselnde Routen, treibende Kontinente
++ Kulturtheoretikerin und freie Kuratorin, Mitwirkende Kuratorin der Ausstellung

In vielerlei Hinsicht hat Indien Asien den Rücken gekehrt. Abgesehen von einigen nicht unbedeutenden Ausnahmen wie Tagore und Coomaraswamy wird die Beziehung Indiens zur Idee des Internationalen in erster Linie von einer folgenreichen Fixierung auf den Westen bestimmt, das heißt auf West-Europa und Nordamerika. Entsprechend setzen viele indische Künstler die internationale Kunst mit der euro-amerikanischen Kunst gleich oder jenem Geschmack, der in euro-amerikanischen Zentren wie New York oder London gepflegt wird. Für viele Inder ist Asien in Wahrheit eine reine Verkettung von Markennamen, die synonym für den Aufstieg der Konsumgesellschaft stehen: LG und Samsung, Honda und Suzuki, Daewoo und Hyundai. Oder aber es verbinden sich mit Asien metropolitane Träume, beispiellose Utopien wie Shanghai und Singapore. Oder aber man denkt an Urlaubsziele wie Phuket und Pattaya, an geschichtsträchtige Orte wie Borobudur oder Angkor Wat. Die meisten Inder nehmen Asien als Diskurs von Überlieferung, Exotismus, Tourismus und offiziellem Urbanismus wahr; ganz offenkundig sind es also hauptsächlich hinduistisch-buddhistische Vorstellungen, die in die Traumvorstellungen dieses Asiens eingehen, wohingegen arabische und islamische Dimensionen aus dem Sichtfeld ausgeschlossen werden.
++ Auszug aus dem Ausstellungskatalog Thermocline of Art. New Asian Waves

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++ Eugene Tan: Zeitgenössische Kunst in Singapore and Südostasien
++ Direktor des Institute of Contemporary Arts Singapore, LASALLE College of the Arts, Mitwirkender Kurator der Ausstellung

In der internationalen Kunstszene besaß zeitgenössische Kunst aus Südostasien nie einen besonders herausragenden Ruf. Die Künstler aus der Region, die internationale Aufmerksamkeit erfuhren, lassen sich an einer Hand abzählen. Dafür gibt es mehrere Gründe. Der erste ist das fehlende ökonomische Interesse an Südostasien. Bedauerlicherweise rückte die Region in den letzten Jahren vornehmlich als Schauplatz für Amerikas "Kampf gegen den Terrorismus" in den Fokus internationaler Aufmerksamkeit, wobei Südostasien als eines der Aufmarschgebiete für muslimische Fundamentalisten angesehen wird. Der Blick auf Südostasien unterscheidet sich deutlich von dem auf die anderen Regionen Asien mit ihren weit größeren wirtschaftlichen Potentialen. Die in den letzten Jahren entstandene Aufmerksamkeit für zeitgenössische Kunst aus China und Indien verdankt sich nicht zuletzt einem verstärkten wirtschaftlichen Interesse an diesen Ländern mit ihrer enormen und zunehmend wohlhabenderen Bevölkerung, die von Seiten multinationaler Unternehmen und Investoren als unerschlossene Märkte umworben werden. Das Wechselverhältnis zwischen der Wirtschaftsmacht eines Landes und dem Interesse an seiner Kunstproduktion spiegelt die Bedeutung des Kunstmarktes für die Entwicklung der zeitgenössischen Kunstszene wider. Das Marktgeschehen spielte immer schon eine wichtige Rolle, doch diese hat in den zurückliegenden Jahren an Bedeutung noch erheblich zugenommen. Dies wird überdeutlich angesichts der außergewöhnlichen Entwicklung der zeitgenössischen Kunst aus China und Indien in letzter Zeit, die sich aus dem rapiden Wachstum des Marktes ergeben hat.
++ Auszug aus dem Ausstellungskatalog Thermocline of Art. New Asian Waves

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++ Yukie Kamiya: Das tägliche Leben ist voller Melancholie, aber auch eine Quelle unendlicher Inspiration, die zu kleinen Revolutionen führt: Gegenwärtige Trends in japanischer Kunst
++ Freier Kurator, Mitwirkender Kurator der Ausstellung

Die Wahrnehmung "asiatischer Kunst" hat sich in der Gegenwartskunstszene dramatisch gewandelt. Besucht man den Gebäudetrakt mit asiatischer Kunst des Metropolitan Museum in New York - zu finden am Nordende des Museumsgebäudes an der Fifth Avenue, die auch als Museum Avenue bekannt ist -, so kann man historische Gegenstände aus der Sammlung asiatischer Kunst mit ihren über 60.000 Objekten bestaunen, die vom Museum als die größte solche Sammlung im Westen beworben wird. Die "Abteilung für Fernöstliche Kunst" innerhalb des Museums wurde während des Ersten Weltkriegs 1915 gegründet, ihr Name 1986 in "Department of Asian Art" geändert. Vor weniger als einem Jahrzehnt noch mag man eine solche historische Kunstsammlung mit dem gleichgesetzt haben, was man unter "asiatischer Kunst" verstand. Die geographische Bezeichnung von Asien innerhalb des größeren Kunst-Kontextes wurde als historisches Kulturerbe angesehen. Die unlängst entstandene Aufmerksamkeit für die asiatische Gegenwartskunst ergibt sich zweifelsohne aus zwei Faktoren: der Globalisierung einerseits und einem wirtschaftlichen Wachstum der Region andererseits, das sich dank der Offene-Tür-Politik zwischen asiatischen Ländern und der Welt einstellte. Gegenwartskünstler aus Asien haben eine enorme internationale Anerkennung erfahren.
++ Auszug aus dem Ausstellungskatalog Thermocline of Art. New Asian Waves

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++ Pi Li: Politische Kunst und frische Luft
++ Direktor der Universal Studios Beijing, Mitwirkender Kurator der Ausstellung

Seit dem Jahr 2000, als Folge einer breiten Akzeptanz von zeitgenössischer chinesischer Kunst in sozial-orientierten, politischen und Mainstream-Kunstzirkeln und vor dem Hintergrund eines hieseigen wie internationalen Kunstmarktbooms, wurde die neue künstlerische Produktion daheim und im Ausland zu einem Gegenstand des Interesses. Trotz einer dem herrschenden Diskurs innewohnenden Tendenz, neue Entwicklung angesichts ihres Alters zu beurteilen - was vorauszusetzen scheint, dass Künstler bis zu einem bestimmten Grad faul und opportunistisch sind -, verkörpern diese Künstler wahrlich unverwechselbare Eigenschaften. Dieses Phänomen zeigt sich nicht in der Kunst allein, sondern auch in Musik, Film und Literatur. Bewusst im post-kultur-revolutionären Zeitalter daheim, entwickeln sie ihre ganz eigene künstlerische Sprache und Ausdrucksweise. Man sollte das sie Kennzeichnende nicht als oberflächlich in Stil und Aussehen beschreiben - wie dies bei vielen ihrer Vorgänger noch in so einschränkender Weise der Fall war. Ihre Bedeutung ist weniger formalistisch, vielmehr verbindet sich in ihr eine ernsthafte Sorge und Wahrnehmung von gegenwärtiger Realität.
++ Auszug aus dem Ausstellungskatalog Thermocline of Art. New Asian Waves

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++ Josef Ng: Thailändische Gegenwartskunst im Post-Millenium zwischen Charme und Kluft
++ Kurator & Consultant, Tang Contemporary Art, Mitwirkender Kurator der Ausstellung

"Charme" ist jenes Wort, das oft herhalten muss, um Thailand und seine Bevölkerung zu beschreiben. Dass Thailand immer wieder zu jenen Ländern und (im Falle der Hauptstadt Bangkok) zu den Orten gezählt wird, die man auf der Erde unbedingt besuchen sollte, ist so abwegig nicht, denn tatsächlich hat das Land der Thais viel zu bieten. Von der Großherzigkeit seiner Bewohner, über die preiswerten Angebote von Waren und Dienstleistungen, die bezaubernden Inseln und Naturlandschaften und nicht zuletzt einem Verschmelzen von traditioneller und moderner Übermäßigkeit rühmt sich das Land seiner ganz ureigenen Schätze, die die ganze Welt inspirieren.
Und ganz oben steht Bangkok, einer der engagiertesten Orte Asiens, wenn nicht gar der Welt. Die Stadt bleibt überbordend. Unverhältnismäßig, was den Raum, die Möglichkeiten zur Netzwerkbildung, die sich bietenden Gelegenheiten und die absolute Freiheit zur Ausdehnung betrifft. Ist das Beste daran, dass Bangkok seinen Bewohnern - ob nun zufällig dort oder gezielt gelandet - eine freie und ungezwungene Atmosphäre bietet, um billig zu leben und zu arbeiten. Genügt das aber, um zu den Besten gezählt zu werden? Will das Land nur für seine Schnäppchen gepriesen werden und ein exotischer Ankerplatz bleiben? Wo ist dann Platz für das "Hier und Jetzt" der zeitgenössischen Kunst?
++ Auszug aus dem Ausstellungskatalog Thermocline of Art. New Asian Waves