Wonil Rhee, Kurator der Ausstellung
Post History - Das 21. Jahrhundert Zu einem Zeitpunkt, an dem wir den Beginn des 21. Jahrhunderts gerade überschritten haben und im Rückblick auf die Ereignisse des 20. Jahrhunderts und die Leiden, die es für die Asiaten mit sich brachte, sehe ich in Asien heute eine einzigartige Modernität - völlig verschieden von der westlichen, die den Verlauf der historischen Ereignisse auf völlig andere Weise erfuhr und eine unglaubliche Menge von Variationen und Unterschieden ausprägte. Die Auswanderung, die Diaspora und das Nomadenleben sind Erfahrungen die die Koreaner freiwillig oder unfreiwillig gemacht haben (nicht nur der Wanderzug von Korea nach Japan, in die Mandschurei, nach Russland und Deutschland, sondern auch die aus dem Kommunikationsproblem von Japanisch, Mongolisch, Russisch, Deutsch und endlich Englisch resultierende Gleichgültigkeit und Nachlässigkeit). Diese Erfahrungen symbolisieren die umfassende Zeitlichkeit der asiatischen Modernität (das heißt die sich durch verschiedene Layer unterschiedlicher Realitäten hindurchziehenden Erfahrungen) und können nicht als die rein persönlichen Einsichten einzelner Personen gewertet werden. Was ich hier versuchen möchte ist, meine persönliche Sicht auf die zuvor erwähnte asiatische Modernität darzulegen und die Gemeinsamkeiten der asiatischen modernen Kunst, die direkt oder indirekt die asiatische Modernität hervorgehoben haben und wie die gleichmäßige Strömung eines großen Flusses, voll von psychologischer Panik, extremer Verwirrung, Chaos, Nichtübereinstimmung, Instabilität, Unvollständigkeit, Absurdität und "Kreativem Paradox", das all diese Situation durchdringt.
Ich will in der Folge noch einmal hervorheben: die Asiatische Modernität und die Definition von "Asien" stellen sich anders dar als ihre Vorstellung und Definition aus europäischer Sicht. (Es ist weithin bekannt, dass der Begriff Asien ursprünglich der topographischen Interpretation des heutigen Nahen Ostens aus alter griechischer Zeit entstammt.) Die Erzählungsstruktur von asiatischer "Meta History", die sowohl auf dem Einfluss der westlichen technologisierten und entwickelten Kulturen beruht, als auch auf der Assimilation und den Konflikten aller vorstellbaren historischen Verbindungen aller asiatischen Regionen, Sprachen, Religionen und Politiken. Um es anders auszudrücken: die asiatische Modernität, die im Moment die Aufmerksamkeit der asiatischen Künstler erregt und die zur Motivation ihrer kreativen Arbeit wird, stützt sich auf das ständige Komm- und Gehen, die Bewegungen und die Trennungen zwischen den einzelnen Regionen innerhalb und außerhalb des eigenen topographischen Territoriums. Es setzt die radikale Neuorganisation und Dekonstruktion der historischen Kriterien der Weltordnung voraus, die ursprünglich aus dem Westen stammt und zu Montesquieu, Hegel und Marx zurückführt.
Wenn die zentralen Begriffe des 19. Jahrhunderts, das den Atlantik überquerte und den Mantel der Revolution, der Besiedlung und der Unterdrückung Asiens, Südamerikas und Afrikas, und des Endes der Pax Britannica abwarf und auch die zentralen Begriffe des 20. Jahrhunderts, das die Epoche der Pax Americana einläutet, (das Zeitalter der Massen, der Revolution der wissenschaftlichen Technologien, der Verbraucherkultur, des Film, der Autos, des Sports) sich in der Tradition der westlichen Avantgarde von Dadaism bis YBA manifestieren, werden Phänomene wie die chinesische Avantgarde mit "zynischem Realismus" oder "politischem Pop", die nach dem Tienanmen Protest in den 1980er Jahren eine radikale Veränderung vom sozialistischen Realismus zur chinesischen Avantgarde vollzogen hat, oder wie die Japanischen Manga oder J-Pop oder die Pluralisierung der koreanischen Kunst im Laufe der 1990er Jahre nach dem koreanischen Modernismus und der Minjung Kunst (Kunst der Arbeiterbewegung), wie die Mischung und Dekonstruktion von Mythen, Religionen und Geschichten in der indischen modernen Kunst oder wie der Religionsbezug und die komplexen Kulturen der post-kolonialen Hybridation in Ostasien, werden alle diese Phänomene also nur im Kontext der asiatischen "Dekonstruktion" und der "Reorganisierung" verstanden werden können, die Werten Kraft geben und Realitäten, die vom Globalisierungsprozess nicht erklärte oder dargestellt werden können. Dieser Prozess von Dekonstruktion, Reorganisierung und Rekontextualisierung hat, wie sich herausstellt, in vielen Bereichen Gemeinsamkeiten mit dem Begriff der "Rematerialisierung" von Baudrillard oder mit Roy Ascotts Konzept "Entmaterialisierung", der Intensivierung des vorherigen Zustandesim Digitalen.
Meinen persönlichen Beobachtungen in Indien, China, Japan, Singapur, Thailand, Vietnam, Tibet und anderswo zufolge, ist die religiös-kulturelle Realität, die die spirituelle Welt Asiens durchdringt, durch die Ironie bestimmt, das Christentum in seiner verwestlichten Form nach Asien re-importiert zu haben, obwohl seine Ursprünge im Mittleren Osten liegen, und der wiederholte Prozess der Dekonstruktion und Reorganisierung von Buddhismus, Hinduismus, Islam, Taoism, Konfuzianismus, Judentum, Sikhismus und anderer Religionen ist ein Ergebnis der Vermischung mit Schamanismen und unzähligen Volksreligionen. Dieses Phänomen ist als eine andere geistige Grundhaltung von Vermischung und Divergenz in Asien aufgetreten. Tatsächlich sind die Verhältnisse der gegenseitigen Einflüsse der religös-kulturellen Situationen der asiatischen Ländern und ihre Wechselbeziehungen mit der Politik, der Wirtschaft und dem täglichem Leben unter dem Thema des "Belief" bei der Singapur Biennale 2006 (kuratiert von Fumio Nanjo) effektiv diskutiert worden.
Am Ende folgert aus dem oben Gesagten, dass das unlängst zur Unterstützung wirtschaftlicher Werte und in Abgrenzung zu Globalisierung und Postglobalisierung angeführte Konzept des "Asiatentums" in seiner Anwendbarkeit auf die Kunst äußerst aufmerksam überdacht werden sollte.
++ WONIL RHEE
arbeitet im Bereich der Medienkunst sowie im Bereich zeitgenössische asiatische Kunst
2007 Kurator der Ausstellung 'Julian Schnabel', World Art Museum, Beijing, China
Yong-seok Oh: Drama No. 3, 2004-2005, Video Still (Detail) © The Artist
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