Author:   Kevin Wells  
Posted: 15.01.2002; 18:07:06
Topic: ARCHIV - THOMAS RUFF - KÜNSTLER02
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THOMAS RUFF - FOTOGRAFIEN 1979 - HEUTE << zurückweiter >>

Thomas Ruff, Porträt, 1989 (A. Giese)
Chromogener Farbabzug, Dia-Sec Face,
Holzrahmen, 210 x165 cm


PORTRÄTS

Um 1980 begann sich Thomas Ruff erstmals mit dem Genre "Porträt" auseinanderzusetzen, einem Bildtypus, der zu dieser Zeit in der zeitgenössischen Kunst nur eine untergeordnete Rolle spielte. Neben Porträtaufnahmen der Düsseldorfer Band EKG, deren "Art-Direktor" er war, experimentierte er mit den verschiedenen Möglichkeiten des Porträts, sowie seinem Bildaufbau und betrieb intensive Studien zu dem Genre, um eine zeitgemäße Darstellung zu ermitteln. Er entschied sich für das Brustbild und eine möglichst neutrale Darstellungsweise, um das Gesicht des Porträtierten in den Mittelpunkt zu stellen, ohne jedoch eine psychologisierende Interpretation vorzunehmen. Die Personen sollten wie eine Gipsbüste fotografiert werden, da er davon ausging, daß die Fotografie nur die Oberfläche der Dinge wiedergeben kann. Bereits 1981 legte er die Bedingungen fest, unter denen die Aufnahmen entstanden: die Porträtierten mußten sich auf einen Hocker setzen und wurden dann mit einem ernsten, ruhigen Gesichtsausdruck in ihrer Alltagskleidung fotografiert. Jede Form emotionaler Beteiligung, wie Lächeln, Grinsen oder 'flirten’ mit der Kamera, wurde untersagt. Als Modelle für seine Porträts wählte er intuitiv Personen aus seinem eigenen Umfeld: gleichaltrige Freunde und Bekannte, die er von der Akademie oder dem Düsseldorfer Nachtleben der "Ratinger Straße" kannte.


A. Porträts - farbiger Hintergrund

Entstanden zwischen 1981 und 1985
fotografiert mit Plattenkamera (Negativformat 9 x 12 cm), einem Studioblitz mit Schirm, kleiner Blende (f:45) und kurzer Belichtungszeit
Ziel der Serie war es, circa 100 Porträts im Format 24 x 18 cm anzufertigen, die - ähnlich einer Ahnengalerie - in einer Reihe gehängt werden sollten. Damit diese Reihe aufgrund eines immer gleichen Hintergrundes nicht zu eintönig wirkte, übernahm er ein Prinzip, das er bei seinen Recherchen entdeckt hatte. Das Cover einer wöchentlich erscheinenden Fernsehzeitschrift zeigte regelmäßig als vollformatiges Foto verschiedene TV-Stars vor einem bunten Hintergrund.
Für seine Ausführung besorgte sich Thomas Ruff einfachen Fotokarton (ca. 50 x 70 cm) in verschiedenen Farben. Da er nicht selbst entscheiden wollte, welche Farbe zu welcher Person paßt, mußten sich die Porträtierten vor der Sitzung ihren Hintergrund selbst auswählen, vor dem sie in verschiedenen Blickwinkeln (en face, Profil, Halbprofil) fotografiert werden sollten. 1986 beschloß Ruff einige Porträts auch einem großen Format auszuführen, stellte aber rasch fest, daß hier die Farbe zu dominant wurde.


B. Porträts - neutraler Hintergrund
1986 bis 1991, seit 1998: Porträts mit neutralem, hellem Hintergrund und meist frontaler Ansicht
fotografiert mit Plattenkamera (4 x 5 inch), zwei Studioblitzen mit Schirm, kleiner Blende (f:45) und kurzer Belichtungszeit
Zwischen 1984 und 1986 experimentierte Thomas Ruff immer wieder mit dem Format seiner Porträts, da er neben der "verkleinerten Wirklichkeit" (Format 24 x 18 cm) ein weiteres Bildformat suchte. Als er 1986 fünf Abzüge in der größten Breite des Fotopapiers herstellen konnte, entdeckte er, daß ein komplett neues Bild entstanden war. Durch die Vergrößerung wurde der Blick und der Ausdruck der Porträtierten intensiviert und gleichzeitig die visuelle Präsenz der Fotografie in den Vordergrund gerückt. 1991 mußte er die Serie einstellen, da das bisher benutzte Fotopapier nicht mehr hergestellt wurde. Das neue Fotopapier hatte einen so starken Farb- und Kontrastumfang, daß es für seine Porträts nicht mehr geeignet war.
1998 reizte ihn der Gedanke, neue Porträts zu machen, so sehr, daß er eine Testreihe begann, um in der Kombination des Films, des Entwicklungsverfahrens und des Fotopapiers ein Ergebnis zu erzielen, das seinen früheren Porträts entsprach. Einerseits wollte er über diesen Weg herausfinden, ob es legitim ist, sich selbst zu imitieren. Andererseits interessierte er sich dafür, ob die zu diesem Zeitpunkt 20 - 35 jährigen anders aussehen, als ihre Altersgenossen 10 oder 15 Jahre zuvor.


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