SAMMLUNG GRÄSSLIN
⁄⁄ALBERT OEHLEN, ohne Titel
(Plakat Hamburg), 2001



Albert Oehlen (*1954)

ohne Titel (Plakat Hamburg), 2001
Tintenstrahldruck
220 x 170 cm


© Albert Oehlen
 
"Hinterlasse nur Spuren, wenn du bereit bist, sie wiederzufinden", ermahnt Albert Oehlen auf einem Plakat, das mit Spuren betitelt ist. Darauf sieht man ein gar nicht klapprig wirkendes Skelett, welches seiner fleischlichen Hülle mit Bravour davonläuft. Der bunt gecheckte, frohe Hampelmann im Hintergrund glotzt mit schwarzen Kulleraugen dem beschwingten, knöchrigen Joggingläufer hinterher. Zwischen beiden schiebt sich die blaue Schrift der "Spuren" in graffitiartigen, verspielten Lettern. Eine zweite und dritte Raumebene öffnen die gelben Schriftzeilen, die sich teils nach vorne, teils in den Mittelgrund schieben. Eingefasst ist das bizarre Memento mori in poppigen grünen und rosa Rähmchen, die wie durch Lichterketten illuminiert seitlich aufblitzen. Spuren gehört schon zum reiferen Werk des Malers und Musikers Albert Oehlen, der Ende der 1970er Jahre zusammen mit seinem Bruder Markus, mit Werner Büttner oder Martin Kippenberger all das verulkte und verhöhnte, was ihm als das gesellschaftliche Ereignis einer akademischen, hehren Kunst daherkam. An Experimentierfreude und Biss haben seine Werke nichts eingebüßt, wie Nacht und Spuren, die am Computer generiert wurden, beweisen. Auch hier wird das Kölsch-Glas im nächtlichen Ritt noch wohlgemut gehoben: "Platz für die Hexen".
Wenngleich Oehlen mutwillig die Stilfrage vernachlässigt, absichtlich schlecht malte, gerne polemisch kopierte und umarrangierte, so arbeitete er - nicht anders als andere Künstlerkollegen - ausdauernd an seinen Themen, die da heißen Raum, Sprache und Selbst. Insbesondere bei den seit den 1990er Jahren entstehenden Plakaten wie dem Ohne Titel, das einem bonmot Kippenbergers "Vom Eindruck zum Ausdruck", folgend die Ausstellung der Sammlung Grässlin in den Deichtorhallen in Hamburg 2001 ankündigt. Typisch für Albert Oehlen ist die krude Zusammensetzung des Raumes, der wie ein vieldimensioniertes, gerastertes Muster dem Betrachter keine Möglichkeit der Orientierung bietet. Und auch hier wieder wehrt sich der Künstler gegen die Vereinnahmung, indem er sein Ausstellungs-Plakat nachträglich mit einem angerissenen Stempel bedruckt: "shit". Wer die Oehlen'sche Malerei in Werkgruppen fassen möchte, dem spielt der Maler jetzt schon einen Streich, Grisaille-Malerei in Öl auf Leinwand, wie El Dioni, ist nicht Kategorien oder bestimmten Werkabschnitten zurechenbar, da Oehlen sich ständig selbst zitiert, persifliert, letztlich sich selbst treu bleibt. Einem diffusen grauen Hintergrund entsteigt eine Gestalt. Doch bevor die Figur den Vordergrund erreicht, wird sie von weit schwingenden, breiten Pinselstrichen zerstört. So erstarrt der embryonenhafte El Dioni mit glänzendem Thyrsosstab in seiner Rechten im grellen Blitzgewitter zwischen den Tiefen des schwarzen Nichts und den rauschhaften Sinnesbetäubungen des hellen Fests.
BK