SAMMLUNG FROEHLICH
⁄⁄GEORG BASELITZ, VIER
STREIFEN (G. ANTONIN), 1966



Georg Baselitz (*1938)

Vier Streifen (G. Antonin), 1966
Öl auf Leinwand
200 x 140 cm


© Georg Baselitz
Archiv Sammlung Froehlich, Stuttgart
 
Die Karriere des Künstlers Georg Baselitz begann mit einem Skandalbild, wobei die BILD-Zeitung den Skandal auslöste: 1963 wurde Baselitz' Darstellung eines onanierenden Gnoms beschlagnahmt und der Maler vor Gericht geladen. Aus dem gleichen Jahr datiert das Werk Hommage à Wrubel - Michail Wrubel - 1911. Das Bild zeigt einen kauernden Klumpen Mensch vor einem tiefschwarzen Hintergrund, der, bar jeglichen Schutzes, verschämt aufblickend, sich befriedigt. Es ist das Bild des Künstlers schlechthin, der mit der Sensibilität einer blutig-wunden Haut auf die Umwelt reagiert und sein Intimstes preisgibt. Der Akt dieser Häutung weist auf die Wandlungs- und Entwicklungsfähigkeit des Künstlers hin. Zugleich widmete Baselitz das Bild dem russischen Symbolisten Michail Wrubel, der in geistiger Umnachtung starb.
In den 1960er Jahren kam der Beschäftigung mit der deutschen Geschichte im Werk von Georg Baselitz eine besondere Bedeutung zu. Als programmatische Reaktion auf die deutsch-deutsche Teilung nahm er als mittlerweile im Westen Lebender im Jahr des Mauerbaus den Namen seines ostdeutschen Geburtsortes an. Die Reihe seiner Heldendarstellungen, zu denen auch Der Neue Typ zählt, belegt sein Leiden - an der jüngsten Vergangenheit sowie am Künstlerdasein. Das im Sinne christlicher Leidens-
symbolik angewandte Wundmal der vorgestreckten Hand seines heruntergekommenen Helden in der Ödnis ist eindeutig. Bevor Georg Baselitz seine Bilder als Akt der radikalen Emanzipation vom Motiv ab 1969 "verkehrt herum" malte, schuf er in den drei Jahren davor seine sogenannten Frakturbilder. Eines der charakteristischsten Werke ist Vier Streifen (G. Antonin). Auch dieses Bild ist eine Hommage: an den französischen Schriftsteller Antonin Artaud, der einige Jahre in psychiatrischen Kliniken untergebracht war und dem Baselitz im Bildtitel das G seines eigenen Vornamens als posthume Solidaritätserklärung an den leidenden Künstler vorangestellt hat. Vergleichbar dem diagnostizierten "Verrücktsein" des surrealistischen Schriftstellers erscheint auch das fabelhafte Bildmotiv ver-rückt, wie auseinandergeschnitten und inkohärent zusammengesetzt. Das gegenständliche Motiv dient Baselitz von da an nicht mehr als bildkonstituierendes Mittel, nur noch die Farbe und die Faktur vermögen das Bild als Einheit zusammenzuhalten.
AB