SAMMLUNG BOROS
⁄⁄MARTIN BOYCE (*1967)

Der in Berlin lebende Schotte Martin Boyce ist Ethnologe und Kultursemiotiker: Er untersucht die menschlichen Ausdrucksformen Design und Architektur, um sie zu dekontextualisieren, zu verfremden und dadurch einer neuen und sozusagen von außen ermöglichten Revision preiszugeben. Boyce konzentriert sich dabei auf die westliche Kultur und vornehmlich auf Produkte der 1950er Jahre, also der Zeit der beginnenden "Zweiten Moderne": "Wenn man einen Stil von einer historischen Epoche in eine andere überträgt, kann man den Zeitgeist, die sozialen und kulturellen Verhältnisse jener Epoche wieder auferstehen lassen. Während dieser Zeitreise entwickelt die Ästhetik jedoch eigene ideologische Aussagen, die zum Beispiel auf Vorstellungen von Geschmack und Exklusivität basieren" (Boyce).
Bei Phantom Limb (Sister Ray) hängt ein biomorph geformtes Schichtholz mit einem Draht an einem Ast aus Metall. Ein Bezug zum Thema Design wird durch den zweiten Teil des Titels hergestellt: Mit Ray ist die Frau des Designerpaares Charles und Ray Eames gemeint, die seit Mitte des 20. Jahrhunderts bis heute gültige Maßstäbe in der Formgebung gesetzt haben. Im Auftrag der US-Navy entwarfen die Eames während des Zweiten Weltkrieges Beinschienen für verletzte Soldaten aus geformtem Schichtholz. Aus dieser Vorlage schuf Ray Eames 1943 eine schwarz bemalte Skulptur, die Boyce exakt nachgeformt, allerdings farblich verändert hat. Wie die löchrige Haut eines Geistes hängt sie nun im Raum und verbindet nicht nur Kunst mit Design und verschiedene Zeitebenen miteinander, sondern wirft darüber hinaus auch Fragen nach der kriegsbedingten Vergänglichkeit des Menschen auf.

 
Auch der dänische Designer Arne Jacobsen gehört zu den immer wiederkehrenden Lieferanten von Ausgangsmaterialien für Martin Boyces künstlerische Arbeiten, so beispielsweise mit seinem Stuhl-Klassiker von 1955. Verschiedenfarbige Varianten des Jacobsen-Stuhls wurden von Boyce zerlegt und einzelne Teile für seine Arbeit Ohne Titel spielerisch zu einem Mobile arrangiert, das sich in einem stabilen Gleichgewicht befindet.
AB