SAMMLUNG LANDESBANK BADEN-WÜRTTEMBERG
⁄⁄WOLFGANG TILLMANS, CENTRAL LINE, 2000


Wolfgang Tillmans (*1968)

Central Line, 2000
Farbfotografie
40 x 30 cm


Archiv Sammlung Landesbank Baden-Württemberg, Stuttgart
 
Wolfgang Tillmans' fotografische "Bilderwelt" für das Musikmagazin Spex befindet sich in ständiger Transformation. Nahezu parallel entstehen seit Schaffensbeginn Porträts, Stillleben, Stadtansichten oder Faltenstudien. Jeweils raumspezifisch verknüpft der Künstler immer wieder alte und neue Fotografien mit seinen in Künstlerbüchern oder Zeitschriften veröffentlichten Arbeiten, kombiniert Tintenstrahldrucke mit gerahmten und ungerahmten Fotografien unterschiedlicher Größe.
Mit dem Blick auf das Ganze oder die Oberfläche und Struktur der Dinge holt Tillmans seine Motive nah heran, rückt sie in weite Ferne oder fotografiert das, was gerade vor ihm liegt, von oben. Städte und Landschaftsstriche nimmt er aus dem zur Landung ansetzenden Flugzeug auf: Clocktower (winter) zeigt eine von Menschenhand geformte Agrarlandschaft, die zu einer leicht im Dunst verschwimmenden abstrakten Struktur aus quadratischen und runden Feldern gerinnt. Weniger abstrakt, jedoch den jahreszeitlichen Eindruck und die gebaute Struktur der Stadt wiedergebend, sind Aufsicht (winter) und Aufsicht (Februar). Auf dem einen Foto taucht die Baumasse schwarz zwischen den weiß-grauen Schneemassen auf, das andere Bild wird durch die Februarsonne bestimmt, die die Stadt in warme Braun-, Beige- und Rottöne taucht. Tillmans arbeitet die von Menschen gebaute Struktur, die vorherrschenden Farben und das jeweilige Licht heraus: Aufsicht (green) gibt den Moment wieder, in dem in Tokio gleichzeitig alle Lichter angehen. Nur selten tritt der Name der Stadt oder des Aufnahmeortes auf wie im Titel der Arbeit Minato-Mirai-21, der das höchste Hochhaus Japans in Yokohama bezeichnet.
Zwischen einer durchscheinenden, zerknüllten Plastiktüte und einem Fenster, das den Blick in die dunstige Stadt freigibt, liegen Tomaten in verschiedenen Größen und Farben auf dem Fensterbrett (Tomatoes). Sie stechen scharf und voluminös hervor, sind körperlich präsent. Tillmans knüpft an die Vergänglichkeitsthematik des traditionellen Stilllebens an. Jedoch transformiert er den repräsentativen Aspekt in eine Darstellung des Alltäglichen, der einfachen Präsenz der Dinge selbst.
In den U-Bahn-Fotografien interessieren Tillmans die Beschaffenheit von Haut und Haaren, die Intimität der Achselhöhle (Circle Line, Bakerloo Line), Körperhaltung und Kleiderfalten, die sich durch das Anlehnen an die Glätte von Glas (Victoria Line, glass partitition) oder durch das Verschränken der Arme ergeben (Central Line, suit), eine Bildidee, die er bereits lange vorher im Kopf hatte. Die Beobachtung ungewollter Intimität und sozialer Übereinkünfte, wie in Jubilee Line, sind für ihn wesentlich.
YZ