Author:   Heike Borowski  
Posted: 15.11.2005; 17:25:06
Topic: Sektionen | B | Lichtbilder
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  Sektion B Lichtbilder


Am Anfang des 20. Jahrhunderts interessierten sich die Pioniere der Lichtkunst für die Veränderungen der Wahrnehmung durch die neuen Lichttechniken und Massenmedien. Aus dem Umfeld des Bauhaus oder des Konstruktivismus kommend, erstrebten die Künstler die Vision einer Verbindung von Malerei und Bewegung, wie schon von Futurismus und Kubismus angestrebt. Das neue Medium Film ermöglichte in den 1920er Jahren die Umsetzung dieser Utopien als Weiterführung der abstrakten Malerei im bewegten Film- bzw. Lichtbild. Viking Eggelings Filme erzeugen Rhythmus und Bewegung mittels Analogie und Kontrast von abstrakten Formen. Eggeling orchestrierte Flächen, Doppelstriche oder Punkte, die anschwellen und wieder verschwinden. Auch Hans Richters Filme wirken wie Animationen abstrakter Bilder. Das rhythmische Gegeneinander von Quadraten und Rechtecken ist direkt auf die [Projektions-] Fläche bezogen. Die Arbeiten von Walter Ruttmann und seinem Schüler Oskar Fischinger zeigen ein dramatisiertes Spiel von Flächen und Linien. Scharfe Formen wie Zacken und Winkel »kämpfen« bei Ruttmann gegen Halbkreise, runde Formen und große Tropfen. Die »Dynamik des optischen Geschehens« [Ruttmann] steht im Mittelpunkt. Beide Künstler arbeiteten zu Musik, die sie mit abstrakten Formen illustrierten, wie auch die Filme der Whitney-Brüder. Mittels speziell angefertigter Farbschablonen und Lichtquellen, die zu Musik bewegt werden, entwickelte Kurt Schwertfeger ab 1922 am Bauhaus die »Reflektorischen Farblichtspiele.« Auch sein Zeitgenosse Thomas Wilfred interessierte sich schon sehr früh für die Verbindung von Licht, Farben und Raum und schuf Lichtkabinette mit multidimensionalen, sphärischen Projektionen. László Moholy-Nagy verband Lichtprojektionen mit kinetischen Skulpturen. Sein »Licht-Raum-Modulator« [1922-1930] besteht aus motorisch bewegten Scheiben, Gittern und Stäben aus Metall. Angestrahlt von Scheinwerfern und Glühlampen entstehen ephimäre Schatten und Lichtreflexe: »Malerei mit Licht« [Moholy-Nagy]. Weitere wichtige historische Werke der Lichtkunst sind die »Lichtkinetische Skulptur für das Edison-Umspannwerk in Prag« von Zdenĕk Pešánek aus dem Jahr 1929-30 sowie sein »Modell einer lichtkinetischen Skulptur« [1936], das erste Kunstwerk mit sichtbaren Neonröhren überhaupt. 1946 nutzte dann Gyula Kosice in Argentinien Neonröhren als Material für abstrakte Bilder. Von dort brachte Lucio Fontana die Idee nach Italien und erweiterte die Lichtkunst um neue Raumerfahrungen. Er schuf 1948-49 erstmals ganze Räume [»Ambiente spaziale a luce nera«] mit Licht.


Ausgewählte Werke

Viking Eggeling
Diagonal Symphony, 1921

Lucio Fontana
Ambiente spaziale a luce nera, 1948-49
       [Rekonstruktion 1976]