rauschendes licht
die transformation von echtzeitdaten in eine interaktive lichtskulptur
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dan flavin


aus: Kunstforum Band 122, Seite 438, Ausstellungen

Sigrid Feeser: Dan Flavin

»Lichträume (innerhalb und außerhalb)«

Städtische Galerie im Städel, Frankfurt am Main,25.2. - 22.8.1993


flavin_1.jpg: Installation "Lichträume" im Städel. Courtesy Städtische Galerie im Städel, Frankfurt Installation "Lichträume" im Städel. Courtesy Städtische Galerie im Städel, Frankfurt

Großer Auftritt für Dan Flavin im Frankfurter Städel. "Das Licht ist ein guter Ort, um als Künstler zu existieren", sagt der heute sechzigjährige Amerikaner, Licht gleich Farbe, Farbe gleich Licht. Flavins Minimalimus kommt ohne Betriebsgeheimnisse aus: genormte Leuchtstoffröhren, Standardfarben, wie sie der Handel bereithält. Den Strom liefert die Steckdose.

Seit 1963, als er in einer im Winkel von 45 Grad an der Atelierwand angebrachten goldfarbenen Röhre seine "Dialoge der persönlichen Exstase" entdeckte, arbeitet Flavin mit fluoreszierendem Licht. Wiederholt hat er darauf hingewiesen, daß sein Werk seither keine eigentliche Entwicklung mehr kennt. Und auch keine Nachbarschaften: "Bevor ich es vergesse", schreibt er 1967, "bitte nennen Sie meine Arbeit nicht Skulptur und mich nicht Bildhauer."

Daran sollte der Besucher der beiden Frankfurter Lichträume denken. Die Arbeiten passen sich ohne Wenn und Aber der nicht unproblematischen Peichl-Architektur an, ihre skulpturale Qualität geht gegen Null. Überspitzt könnte man sagen, daß Flavins Licht zugunsten von Peichls Architektur leuchtet.

Zunächst wird die torartige Eingangssituation mit Bündeln von roten und blauen Leuchtröhren beidseitig umspielt, der fensterlose Raum dahinter ist als Projektionsfläche genutzt und bleibt leer.

Im großen Ausstellungsraum wurden die Neonröhren in raumhohen Blöcken zwischen den den drei hohen, vertikalen Fenstern vorgelagerten Doppelsäulen bzw. zwischen Einzelsäulen und Wand so installiert, daß das rosafarbene, gelbe, blaue und grüne Licht nach beiden Seiten abstrahlen kann, so drinnen und draußen, das natürliche und das künstliche Licht, verbindend.

Der auf das kräftige Farbbad des Eingangsbereichs Eingestimmte sieht sich enttäuscht. Das Licht steht still, der Raum scheint leer. Es dauert, bis der Betrachter begreift, daß Flavin die Bewegung an ihn delegiert hat. Er bekommt nur das, was Flavin mit einem spöttischen "What you see ist what you get" bezeichnet hat: Licht und Farbe in wechselnden Intensitäten, den eigenen Schatten als multiplizierte Farbspiele an der Wand, durch Positionswechsel verursachte Farbmischungen.

Die Frage nach einem über die bloße Wahrnehmung hinausgehenden "Gehalt" ist freilich ebenso müßig wie die nach der idealen Verweildauer. Kein Mensch, so Flavin, solle sich in seinen Lichtkünsten etwa häuslich niederlassen, im Gegenteil. Ganz Kind des ausgehenden 20. Jahrhunderts, besteht er auf Unmittelbarkeit, dem temporeichen Verstehen: "Man sollte heute nicht mehr vor Kunstwerken verweilen müssen", und: "Ich ziele auf ein rasches Verständnis - Situationen des Hinein und wieder Hinaus."

Die Nachfrage, wie das denn alles gemacht sei, bringt wenig. Die Frankfurter Räume, darin ist Flavin recht zu geben, geben nie mehr preis, als der erste Blick zu sehen bereit ist. Der aber wird, so unter der Hand, kräftig diszipliniert. Man wird heikel beim Hinsehen, empfindlich für eine Reinheit und Strenge, die den Augen manchmal weh tut, sie aber auch schärft für Nuancen und für Trompe-l'oeil-Effekte, die es nur hier und nirgendwo sonst geben kann.

Flavins Umgang mit den Möglichkeiten des fluoreszierenden Lichts wirkt immer etwas mysteriös (zum Beispiel gehört die Rolle der ebenfalls verwendeten ultravioletten Leuchtstoffröhren und deren verstärkender oder dämpfender Wirkung auf das Farblicht im Raum dazu), aber dieses Mysteriöse ist von mehr rationaler Art.

Mit dem Satz "Meine fluoreszierenden Röhren werden niemals verbrennen in der Sehnsucht nach einem Gott" hat sich Flavin aus der Metaphysik verabschiedet. Und auch für den, der dem neutralen Genuß am simplen Sehen miß-traut, weiß er, den entschiedenen Ausnahmecharakter seiner Lichträume betonend, den rechten Rat: "Ich kenne sie - und kann gut genug vergessen. Die Installationen werden aufgebaut, leuchten und werden demontiert, Klarheit stellt sich schließlich ein in meinem Geist."

Der Ausstellungskatalog mit Dokumentation der Frankfurter Arbeit kostet 35 Mark.