rauschendes licht
die transformation von echtzeitdaten in eine interaktive lichtskulptur
.

Kunstlicht in der Architektur


Author:   karin mueller  
Posted: 08.05.2002; 15:28:28
Topic: Kunstlicht in der Architektur
Msg #: 80 (top msg in thread)
Prev/Next: 79/81
Reads: 11365

An das Licht stellen wir heute Anforderungen, die ausschließlich mit Hilfe des künstlichen Lichtes erfüllt werden können. Wir machen uns wenig Gedanken. wie unsere Vorstellungen von Licht entstanden sind und welche Umstände sie geformt haben, sondern nehmen sie als gegeben hin. Nach heutiger Erkenntnis ist es wahrscheinlich, dass sich unsere "Sicht" der Welt in einem etwa 6 Millionen Jahre dauernden evolutionären Prozess gebildet und dabei natürlich das Licht der Sonne eine ganz entscheidende Rolle gespielt hat. Schließlich nahmen unsere Vorfahren, genauso wie wir heute, die sie umgebende Welt im stetigen Rhythmus des wiederkehrenden Sonnenlichtes wahr. Dieses Licht setzte das für alle Lebewesen gültige Zeitmaß und durch die farbige und kontrastierende Anleuchtung wurde "Raum" erfahrbar. So entstand unser "Weltbild" durch die vom Sonnenlicht vorgegebenen zeitlichen und räumlichen Dimensionen. Wie die Men-schen die Welt sahen, fühlten und dachten sie. Diesen Vorstellungen haben sie in Religion, Kultur und Technik Ausdruck ver-liehen. Somit hat der Mensch nicht das Licht geformt, sondern das Licht den Menschen und dies nicht nur unmittelbar, sondern auch indirekt über die Raum- und Zeitvorstellungen. Der Mensch wird bis heute in seiner Persönlichkeit und seinem Weltbild durch Lebensumstände, in die er hinein geboren wird und durch das Licht, das seine Welt "erhellt", geformt.

Durch die Verknüpfung der Vorgänge und Ereignisse in der Natur mit den Lebensumständen der eigenen Umgebung entdeckte der Mensch Kausalzusammenhänge, die es ihm er-möglichten, durch eigenes Handeln Einfluss auf seine Lebensumstände zu nehmen. Es ent-wickelte sich ein neues Verständnis für Zeit und Raum. Die daraus folgenden geistigen und körperlichen Anpassungen vertieften diese Möglichkeiten weiter, und es entstand eine sich selbst verstärkende Entwicklung.

Für die weitere Fortentwicklung des Menschen war ein organisiertes Zusammenleben von entscheidender Wichtigkeit. Dazu war die Verständigung zwischen den Gruppenmitgliedern notwendig, also die Entwicklung von Sprache. Offensichtlich beruht das Beherrschen einer differenzierten Sprache und das abstrakte Denken auf den gleichen mentalen Fähigkeiten, die auch zum systematischen und vorausplanenden Gebrauch der Hände benötigt werden. Das heißt, die für den Gebrauch der Hände entwickelten Gehirnstrukturen ermöglichten unseren Vorfahren erst das abstrakte Denken und das Beherrschen einer vielschichtigen Sprache.

Das Feuer: Hier wird deutlich, welche Bedeutung das Feuer und die Sprache für die Ent-wicklung der Menschheit gehabt hat. Das Feuer bot die Möglichkeit, neue Nah-rungsquellen zu erschließen, und gleichzeitig lieferte es Wärme und Licht. Es ist daher nicht verwunderlich, dass es in allen Kulturen eine Prometheus-Sage gibt. Das Feuer bildete den Mittelpunkt der damaligen Gesellschaft. Es war der Ort um Informationen auszutauschen, um Sprache und Kommunikation weiterzuentwickeln, um Pläne für den nächsten Tag und die Zukunft zu schmieden. Das Lagerfeuer war der Ort für den Kulturtransfer zur nächsten Generation. Hier begann die gemeinsame Entwicklung von Licht und Bewusstsein. Diese Bedeutung hat das Feuer für die Menschen bis zum Beginn der industriellen Re-volution beibehalten.

Vor ca. 150.000 Jahren hatte die Entwicklung der Menschen einen Stand erreicht, der sich von den heute lebenden Menschen nicht mehr wesentlich unterschied. Das Gehirn hatte die gleiche Größe erreicht und die Menschen konnten damit assoziativ, abstrakt und voraus-schauend denken. Mit Hilfe der Sprache konnten sie sich über komplexe Zusammenhänge präzise und schnell verständigen. Die Sonne, der Mond und die Sterne wurden als Gottheiten verehrt. Inzwischen hatten die Menschen so viel Kenntnisse über den Gang der Gestirne und deren Einfluss auf die Umwelt erworben, dass sie dieses Wissen in Religion und Architektur ausdrückten. Mit den gleichen Bauwerken, die sie zur Verehrung ihrer Götter errichteten, empfahlen sie ihre Toten der Obhut dieser Gottheiten. Gleichzeitig waren die Bauten Uhren, Kalender und Observatorien für die Vertiefung der astronomischen Kenntnisse.

[Bild 01-02: Newgrange: , Irland: Sonneneinstrahlung im Grab; Ansicht aus der Tiefe des Gra-bes zum Eingang und zur Lichtöffnung]

[Bild 03-04: Pantheon, Rom: Schnitt mit Einfallswinkeln der Sonnenstrahlen; der Lichtsee, der sich am längsten Tag im Jahr in der Mitte des Raumes abzeichnet]

[Bild 05: Hagia Sophia, Konstantinopel (360 n. Christus vollendet, 533 n. Christus umgebaut): für die Christen wird das himmlische Licht zu einem Symbol für ihren Erlöser. Mit Hilfe der psychologischen Kraft der Sonnenenergie werden die Kirchenbauten theatralisch inszeniert]

[Bild 06-07: Gotik - Helligkeit, Transparenz, Dynamik, farbiges Licht im christlichen Mittelalter Grundriss und Schnitt von Reims (1211) und Fontenay (1139) Innenansicht von Sainte-Chapelle, ehemalige Schlosskapelle, Paris (1264)]

Im Barock begann das Licht, den Raum zu interpretieren. Es betonte die Materialstruktur der Oberflächen und belebte somit den Gesamteindruck der jeweiligen Räume. Anstelle des Hell-Dunkel-Reliefs trat im Barock die dramatische, flächige Schattenwirkung. Licht und Schatten gewannen die Herrschaft über den Raum. Die Kirchenkuppeln wurden als Himmelsgewölbe ausgebildet, in die das Licht differenziert geführt wurde.

Die Kerze: Das Barock war auch das Zeitalter, in dem die künstliche Beleuchtung erstmalig und nachhaltig in Erscheinung trat. Kerzenleuchter an Wänden und Kandelaber [mehrarmige Leuchter für Kerzen] begannen die Innenräume durch ihr Licht zu gestalten und zu erhellen. Der barocke Kronleuchter, der durch seine zahlreichen Reflexionen und Brechungen das schwache Licht der Kerzen zu vervielfachen schien, steht noch heute für das festliche Licht. Zwei neue Aspekte sind mit der Verwendung dieses frühen Kunstlichtes verbunden: die Verlagerung von zunehmender Aktivität in die Nacht und das Vergnügen. Licht bzw. Kunst-licht wird bei Veranstaltungen eingesetzt, die dem Spiel, der Unterhaltung dienen. Effektbe-leuchtung er-zeugt Spannung, Abwechslung und Überraschung.

[Bild 08, Innenraum des Domes San Marco in Venedig, 8. bis 14. Jahrhundert]

[Bild 09, Lampengehäuse mit Reflektor. Aus: Joseph Furttenbach, Halinitro-Pyrobolia, Ulm 1627]

[Bild 10, Ein Bühnendiener kürzt die Dochte der Rampenbeleuchtung während einer Auffüh-rung im Grönnegade-Theater, Kopenhagen, Anfang 18. Jhd.]

Nach den geschwungenen Formen und reichen Ornamenten des Barocks, die noch eine graziöse Steigerung im Rokoko fanden, kamen in der Architektur wieder Formen vor, die der klassischen Antike oder Renaissance entlehnt waren. Rechteckige Gebäudegrundrisse, klare Lochfassaden und sparsames Ornament ließen eine Rückbesinnung auf die Antike erkennen. Die Herrscher fühlten sich unabhängig von der Macht der Kirche. Deshalb legten sie ihre Einkünfte hauptsächlich in Profanbauten wie Schlösser, Villen und Akademien an. Mit Beginn der industriellen Revolution um 1740 begann die Zeit der bürgerlichen Archi-tektur. In England wurden die ersten Manufakturen errichtet. Arbeitsprozesse wurden rationalisiert. Mit zunehmender Industrialisierung begann ein grundlegender Wandel in der Gesellschaft. Die anfänglichen Antriebsmittel wie Wasser- und Windkraft wurden durch Dampfkraft ersetzt. Als Energieträger ersetzte die Steinkohle das Holz und die Holzkohle. Bei der Verkokung der Kohle entstand Leuchtgas, das durch Leitungen als Wärme- und Lichtspender in die Haushalte geführt werden konnte. Die öffentliche Beleuchtung der Städte wurde auf Gas umgestellt, das aufwändige Nachfüllen von Öl in die Laternen entfiel. 1830 führte London und 1840 Wien die öffentliche Gasbeleuchtung ein. Herdfeuer und Kerzenschein waren nicht mehr der gesellschaftliche Mittelpunkt.

Gaslicht: Die Produktions- und Arbeitsprozesse in den Industriehallen wirkten sich mehr und mehr auf die Architektur der Gebäude aus. Das reichlich verfügbare Gaslicht ermöglichte neue Gebäudeformen, die sich nicht am Tageslicht orientieren mussten. Bereiche, die weit entfernt von Fenstern waren, konnten jetzt als Arbeitsplätze- und Maschinenstandorte ge-nutzt werden. Hier begann der Siegeszug des Kunstlichtes. Es ermöglichte einen höheren Nutzungsgrad, eine höhere Ausbeute des Gebäudes.

Elektrisches Licht: Elektrische Stromnetze und die Glühlampe verhalfen dem Kunstlicht zum endgültigen Durchbruch. Die leichte Verfügbarkeit der Energie aus der Steckdose, die erheblich geminderte Brandgefahr durch den hermetisch eingeschlossenen Glühdraht sowie der entfallende Verbrauch von Sauerstoff des offenen Feuers ebneten dem elektrischen Licht den Weg. Die Architektur und unsere Lichtvorstellungen sind dadurch bis heute nach-haltig geprägt. In Europa wurde auf der Weltausstellung 1900 in Paris zum ersten Mal das elektrische Licht als Architekturbeleuchtung in Szene gesetzt. Grundvoraussetzung war die leichtere Er-zeugung von elektrischer Energie durch Generatoren, die nach dem elektromagnetischen Prinzip arbeiteten. Mit dieser Erfindung von Siemens und Halske war es beim Palais d'Élec-tricité erstmals möglich, mit elektrischer Beleuchtung ein Gebäude selbst zur Licht- und Farbquelle werden zu lassen. Der Mensch feierte sich, den technischen Fortschritt und die zunehmende Unabhängigkeit von der Natur.

[Bild 11, 12 Weltausstellung in Paris, 1900: Eiffelturm, Palais d'Électricité]

Die rationale Einstellung zu Licht, Raum und Tragstruktur beeinflusste die Entwicklung mo-derner Gebäudetypen: Gefängnisse, Arbeitshäuser, Krankenhäuser und vor allem Fa-briken wurden auf der Grundlage neuer Technologien und Geometrien geplant. Hintergrund der streng funktionalen Grundrisse war eine maximale Versorgungseffizienz. Eine gute Tages-lichtausnutzung und Belüftung war das einzige Zugeständnis an das menschliche Wohlbe-finden. Eisenskelett bzw. später der Stahlskelettbau und die Erfindung von Floatglas führten generell zu völlig neuen baulichen Möglichkeiten. Die Auflösung der Wand zugunsten von Glasflächen wurde zum Inbegriff moderner Architektur. Das natürliche Licht, hielt in einem noch nicht gekannten Ausmaß Einzug in die Gebäude – und wurde wahrscheinlich auch noch nie unter so nüchternen, funktionalen und erzieherischen Gesichtpunkten gesehen. Die Durchdringung des Gebäudes mit Sonnenlicht - Licht, Luft und Öffnung – wurde zur Losung für die Architektur der 20er Jahre. Nicht zuletzt die Erschütterungen des 1. Weltkriegs und die wachsenden urbanen Probleme führten zu einer der radikalsten und visionärsten Zeitströmungen. Die Sonne wurde zu einem Schlüssel-element für Gesundheit und Erziehung. Die Gebäude sind klar und ohne Schnörkel ent-worfen. Große Fensterbänder schaffen helle Arbeitsplätze, Maschinen- und Tur-binenhallen.

[Bild 13, Faguswerke von Walter Gropius, 1911-12]

[Bild 14, Entwurf eines Glashochhauses in der Berliner Friedrichsstraße von Mies van der Rohe, 1921]

Aber auch expressionistische Tendenzen spielten in der Architektur dieser Zeit eine Rolle. Vor allem hier beginnt der Einsatz von Kunstlicht ein wichtiges Gestaltungsmittel zu werden, das die skulpturalen Eigenschaften der Gebäude unterstreicht und hervorbringt. 1919 schuf Hans Poelzig mit einem großen Schauspielhaus ein herausragenden Beispiel für Architektur und Licht. Die expressionistische Kuppelverkleidung wurde aus Lichtvoluten indirekt mit Glühlampen angestrahlt. Die Säulenkapitelle waren als Licht-Springbrunnen konzipiert. Erich Mendelsohn gestaltete Fassaden, bei denen der Hell-Dunkel-Kontrast nachts durch Kunstlicht umgekehrt wurde. So ist der Eindruck bei Tage ein völlig anderer als der bei Nacht. Sonnenlicht und Kunstlicht geben dem Gebäude zwei unterschiedliche Identitäten.

[Bild 15-16, Großes Schauspielhauses von Hans Poelzig: Innenraum und Säulen im Foyer, die als Lichtbrunnen gestaltet sind]

[Bild 16-17, Kaufhaus Schocken in Chemnitz von Erich Mendelsohn, 1923]

Die Verwendung von Kunstlicht stellt in Gemäldegalerien eine typische Anwendung dar. In den 60er, 70er und 80er Jahren wurde sogar häufig so gebaut, dass die Innenraumbeleuch-tung vom Kunstlicht getragen wurde und die Menschen immer stärker vom Tageslicht abge-koppelt wurden. Museen oder sogar Schulzentren wurden mit wenigen oder völlig ohne Ta-geslichtöffnungen gebaut. Über DIN-Normen und Arbeitsstättenrichtlinien wurde das Licht für Arbeitsplätze genormt; Tages- und Kunstlicht werden in getrennten Normen behandelt (DIN 5034 und 5035). Die Arbeitsstättenrichtlinien normieren zwar beide Lichtquellen, lassen jedoch eine Substitution des Tageslichtes durch das Kunstlicht zu. Die empfohlenen Helligkeiten bewegen sich um Größenordungen unter den Tageslichtwerten (z.B. Nennbeleuchtungsstärke En: Büroräume/500 lx, Großraumbüro 750-1.000 lx, Technisches Zeichnen/750 lx, Besprechungsraum/300 lx). Häufig ist nicht bewusst, dass zur physischen und psychischen Gesundheit des Men-schen qualitätsvolles Tageslicht essentiell notwendig ist.

In den Schluchten der Megastädte gelangt das Tageslicht nur noch selten in den öffentlichen Raum. Das elektrische Licht war neben anderen technischen Entwicklungen wie dem Stahl-beton- und -skelettbau oder dem Aufzug Voraussetzung für eine hochverdichtete Bauweise. Das Gebäude wird zu einem geschlossenen (Glas-)Kasten, der fast völlig unabhängig von den klimatischen Außenbedingungen ist. Die Menschen darin interagierten nicht mehr mit der Umgebung, um zu einem Komfortniveau zu gelangen; alles wurde dem Gebäude überlassen: Wärme, Lüftung, Licht, Verschattung. Die Folge war eine völlige Abhängigkeit von einer Energieversorgung gewaltiger Dimension.

[Bild 19, Kunstlicht in der Produktion]

[Bild 20, Museumsbau]

[Bild 21, Bürowelten]

[Bild 22, Die Schluchten von New York]

[Bild 23, Energieverbrauch- und kosten, elektrische Beleuchtung im Vergleich]

Tageslicht ist und bleibt aber der alles bestimmende Takt- und Zeitgeber für den Menschen. Die wesentlichen Körperfunktionen sind damit synchronisiert. Unsere "innere Uhr" pendelt sich ohne das Licht der Sonne und den Hinweis auf die jeweilige Tageszeit auf einen Rhythmus von 25 Stunden ein, dass bedeutet auf ein zirkadianes System [zirkadian = ein angenäherter Tag]. Dieses eher ungefähre Zeitmaß dient wahr-scheinlich der leichteren Angleichung des Systems an die sich ändernden zeitlichen Abläufe, wie etwa die jahreszeitlichen Schwankungen von Sonnenaufgang und Sonnenuntergang. Um sich mit dem 24-Stunden-Rhythmus zu synchronisieren, benötigt das zirkadiane System Hinweise von außen, das Sonnenlicht dient als Zeitgeber. Täglich benötigen wir eine ausreichende Menge an Sonnenlicht: Die notwendige Dosis ist erheblich höher als die in den Normen der Arbeitsstättenrichtlinien festgelegte: 2.000 bis 3.000 Lux, 3 bis 4 Stunden pro Tag benötigen wir für die Bildung von Vitamin D und Melatonin, für unser Hormon- und Immunsystem.

Die Umwelt des Menschen ist einem ständigen Wandel unterworfen. Die Dimensionen des Raumes, Form und Material der Objekte, der Rhythmus und Verlauf der Zeit und die kulturellen und sozialen Formen des Zusammenlebens sind die wesentlichen Aspekte unserer Wahrnehmung. Damit sind sie Grundlage allen menschlichen Handelns. Menschen werden überwiegend durch den Ort, an dem sie leben, und die Kultur und Gesellschaft, in der sie aufgewachsen sind, geformt. Jeder Ort der Erde ist dabei durch sein Tageslicht und seine klimatischen Verhältnisse wesentlich gekennzeichnet. Dies prägt auch die dort lebenden Menschen. Dem Tageslicht kam und kommt daher immer eine entscheidende Bedeutung in der Architektur zu – auch wenn das zeitweise in Vergessenheit gerät. Kunstlicht spielt dagegen für die Entwicklung der Wahrnehmung nur eine sekundäre Rolle. Es wird ent-sprechend den vom Tageslicht geformten Maßstäben gewertet.

Kunstlicht stellt in der heutigen Architektur meist eine zusätzliche, das Tageslicht ergänzende Gestaltungsmöglichkeit dar - im schlechtesten Fall gleicht es nur die Mängel der natürlichen Beleuchtung aus. Es kann verwendet werden um Zonen zu bilden, zu leiten, Akzente zu setzen, zu Inszenieren oder zu Repräsentieren. Es unterstreicht Form und Material, Licht-strukturen beeinflussen die Dimensionen. Kunstlicht ist dabei natürlich vor allem bei Nacht in seinem Element. Völlig neue Stadträume entstehen, die ihre Existenz neuen Lichtquellen und Lichtfarben verdanken. Kunstlicht schafft neue Lichträume. Es gibt den Fassaden ein stimmungsvolles Gewand und lädt zu Kommuni-kation oder Vergnügung ein. Manches Gebäude verdankt mittlerweile seine Präsenz weitge-hend einem besonders auffälligen Lichtkonzept. Die soziale Funktion des Kunstlichtes – ausgehend von der frühzeitlichen Erfahrung der Feuerstelle – spielt neben dem rein funktionalen Aspekt Licht in die Nacht zu bringen, eine ganz entscheidende Rolle. Da Kunstlicht in der heutigen Form eine sehr junge Erfahrung ist, die Wahrnehmungsvorstellungen aber in Jahrtausenden geformt wurden, sind wir vielleicht dabei eine neue Vorstellung von unserer Welt zu entwickeln. So könnten die nächtlichen Kommunikationsräume des Kunstlichts und die sich darin entwickelnden Kultur- und Sub-kulturformen allmählich zu einer anderen Prägung des Menschen führen.

Architekturbeispiele aus heutiger Zeit, bei denen das Lichtkonzept eine entscheidende Rolle spielt:

[Bild 24, Die Hektik des O'Hare Airport in Chicago, Architekt Helmut Jahn]

[Bild 25, Unerwartete Licht- und Farberfahrung in der Nacht]

[Bild 26, 27 Lichtkonzept Lyon, Planungsbeginn 1989: Der unter dem Namen "Die Stadt bei Nacht herausgegebene Beleuchtungsplan will differenzierte Einheitlichkeit und Klarheit durch unverwechselbare Farbgebung vermitteln. Dafür wurden Leitlinien entwickelt, die verschie-dene städtische Bereiche kennzeichnen:
Grün: Grünanlagen
Ocker: Gebiete mit städtischen Charakter
Gelb: zur Erleichterung des Lesens von Schildern an Verkehrknotenpunkten und wichti-gen Durchfahrtsstraßen
Blau: Lichtdarstellung wichtiger baulicher Perspektiven der Stadt
Grau: zum Hervorheben historischer Bauwerke und malerischer Elemente der Stadt]

[Bild 28, Parkhaus Heilbronn, Architekten Mahler, Günster, Fuchs, Fertigstellung 1995: optisch durchlässige Fassade durch Holzlamellen und verzinktem Drahtgeflecht. Wahl der Materialien und Umgang mit Licht lässt eine Atmosphäre entstehen, die einen angenehmen Kontrast zum Autoverkehr bildet]

[Bild 29-30, Reichstag Berlin, Foster und Partner, Fertigstellung 1999: Die eingebaute Kuppel spielt eine zentrale Rolle in der Gebäudekonzeption; sie stellt die Verbindung zwischen Bürgern und Parlament her und ist mit ihrer technischen Durchsichtigkeit Ausdruck einer transparenten Demokratie. Die Kuppel ist städtischer Fixpunkt und darüber hinaus weit leuchtender Informationsträger. Sie steht auch für einen neuen Umgang mit Umweltschutz, denn sie ist auch die Schlüsselkomponente der Belichtungs- und Energiesparstrategien des Gebäudes]

[Bild 31-33, Kulturhaus San Sebastian, Rafael Moneo, 1995-1999: Die Wirkung der aus Tau-senden gebogenen Gläsern zusammengesetzten Fassade ist äußerst eindrucksvoll: Licht wird zum zentralen Thema des Gebäudes. Durch die wenigen Ausblicke konzentriert sich das Innere auf Funktion, Raum und Licht. Die beiden Quader bestehen aus jeweils zwei Tragwerken: einem inneren aus Stahlbeton, das die eigentlichen Räume ummantelt, und dem stählernen Tragwerk der eigentlichen Quaderhülle, das wiederum innen und außen mit Glas verkleidet ist. Der Raum zwischen diesen Glasscheiben wird für eine Beleuchtung genutzt, die die beiden Gebäude in der Nacht von innen erstrahlen lässt]

[Bild 34, Studentenpavillon Crescendo, Leipzig, Mai – August 2000]

[Bild 35, Sonnenflecken in der Nacht Kunstmuseum, Bonn von Axel Schultes]

[Bild 36, Eine Straßenlaterne als Küchenleuchte, Installation von Tazro Niscino, Dortmund, 1999]


Literatur:

Licht, Heinrich Kramer, Walter von Lom
Sol Power – Die Evolution der solaren Architektur, Sophia und Stefan Behling
Faszination Licht, Max Keller
Die gemeinsame Geschichte von Licht und Bewusstsein, Arthur Zajonc
Licht und Gesundheit – wie natürliches und künstliches Licht den Menschen beeinflussen, Jane Wegscheider Hyman
Verordnung über Arbeitsstätten
Kultur Spiegel, Heft Mai 2002