Author:   Kevin Wells  
Posted: 25.06.2002; 15:21:22
Topic: ARCHIV - PROPHETS OF BOOM - KÜNSTLER04
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PROPHETS OF BOOM << zurückweiter >>

CADY NOLAND, Installationsansicht, 1995, Hypo-Kultur-Stiftung, München

Cady Noland

Die Objekte und Installationen der 1956 in Washington geborenen Künstlerin Cady Noland, die in den achtziger Jahren in amerikanischen Galerien und Museen auftauchen, sind ein ästhetischer Störfall und böser Konter gegen den ironisch kitschigen Trend und die allgegenwärtige Erfolgsshow. Nolands Anhäufungen von Konsumgegenständen, Medienprodukten und typischen Handelswaren, von Autoteilen und Cola-Dosen, manipulierten Medienfotografien und medizinischen Gehhilfen zeigen die Accessoires und Fetische eines pathologischen Kleinbürgertums. Eingedämmt von Schranken und Barrikaden, wie in ein Ghetto gesetzt, das wir von außen betrachten aber auch betreten können, werden ihre Installationen zu präzise angelegten Unorten, zu ästhetischen Inszenierungen des gesellschaftlichen und politischen Dissens.
In ihrer Patty Hearst gewidmeten Installation, die Werke wie »Metal Fence«, »Frame Divice«, »Open Sore, the 5&10ç Store« und »SLA Group Shot« kombiniert, prallen kommerzielle Handelsobjekte-, Medien- und Kunstwerke ganz unterschiedlicher Provenienz aufeinander. Den üblichen Funktionszusammenhängen enthoben, wird ihr Material zur skulpturalen, poetischen Situation. Aufnahmen der zur Terroristin mutierten Patty Hearst, eine Postbox und aufgestapelte Gehhilfen werden überstrahlt von einem Reklamekasten, dessen beunruhigende Aufschrift die »offenen Wunden« traumatischer gesellschaftlicher Erfahrungen bewirbt. Das Werk wird zum physischen Gegenüber mit offensiv aggressivem Inhalt, das zwischen der produktiven Spannung ahnungsvoller Unbestimmbarkeit und bedrängender Uneindeutigkeit oszilliert. Mit den Unschärfen des Identitätsbegriffes spielen Nolands Porträts wie in »SLA Group Shot with Floating Head« (1991). Ihre abgebildeten Individuen und der an ihre Stelle projizierte Betrachter werden in gedoppelter terroristischer Manier attackiert – die Medien führen diese zweideutige Strategie zwischen fotografischem Ablichten und medialem Abschuß vor. Das Unbehagen, der Kollaps, die Katastrophe sind Nolands Gegenentwurf, der ohne Botschaft bleibt, der sich nicht auflösen läßt und keine Schlußfolgerungen liefert. Darin treffen ihre Werke zutiefst die amerikanische Seele, denn sie spiegeln auch, wie Amerika an der offenbaren Ambivalenz seiner selbst leidet. 1992 erscheint Nolands Publikation »Towards a Metalanguage of Evil/Zu einer Metasprache des Bösen«. Die Spezies, die Noland in diesem Buch bloßlegt, ist ein Psychopath: der gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Held der 80er Jahre, der »männliche Unternehmer«. Der aber wird zur Metapher für den eigentlichen Patienten ihres Werkes, die Kunst selbst und deren bedeutungsentleerte und zynische Anpassungsstrategien. Nolands Kunst ist zugleich Kunstkritik mit dem Wissen um die Bedingungen des eigenen Scheiterns, die jenseits von politischem Kitsch und in der demonstrierten Unmöglichkeit genauer Benennbarkeit die verlängerte Halbwertszeit des Bildergebrauches der Kunst wirksam macht.

Diana Ebster


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