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inactiveTopic ARCHIV - DAS TIER IN MIR - KÜNSTLER 22 topic started 10.04.2002; 11:40:31
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user Kevin Wells - ARCHIV - DAS TIER IN MIR - KÜNSTLER 22  blueArrow
10.04.2002; 11:40:31 (reads: 2016, responses: 0)
DAS TIER IN MIR << zurückweiter >>

RUDOLF SCHWARZKOGLER

Bereits in der ersten Aktion von Rudolf Schwarzkogler (1940 in Wien geboren, 1966 in Wien gestorben), die den Titel »Hochzeit« trägt und 1965 in der Wohnung von Heinz Cibulka stattfindet, gehören Tiere zum »Material« des Stückes. Die Aktion ist fotografisch dokumentiert, ihre Partitur listet Werkzeuge und Objekte auf. Auf einem weiß gedeckten Tisch befinden sich u.a. »ein schwarzer Spiegel mit Heringen, Messer und Scheren, (...) Gläser mit blauer Farbe, (...) Eier, ein Huhn, ein Hirn, (...) Mullbinden«. Die Handlungen, die Schwarzkogler mit diesen Objekten und am Leib der Akteure vollzieht, müssen auf das Publikum der sechziger Jahre befremdlich und schockierend wirken: »S. umwickelt einen Fisch mit einer Mullbinde und legt ihn auf den schwarzen Spiegel. Mit einem Glas wird blaue Farbe auf den Tisch gegossen. Ein Fisch wird mit dem Messer aufgestochen, mit der Schere aufgeschnitten. Gelbe Kristalle werden hineingeschüttet. Das Huhn, das in ein weißes Tuch gehüllt ist, wird mit blauer Farbe übergossen (...) Zwei aufgeschnittene Fische werden mit rosa Blüten gefüllt, mit blauer bzw. roter Folie umwickelt und an die Wand genagelt.«
Die körperbezogene Dramatik steigert sich in späteren Aktionen und berührt tiefe gesellschaftliche Tabus: »Der Körper Cibulkas und besonders sein Penis werden vor einer weißen Wand oder auf einem weiß gedeckten Tisch mit Mullbinden umwickelt; aufgeklaffte Fische werden über den Penis gestülpt, und umherliegende Rasierklingen und Blutspuren evozieren die Vorstellung von Verletzung und Kastration« (Dieter Schwarz). In seinen Stücken kombiniert Schwarzkogler Elemente aus den spektakulären Aktionen von Nitsch, Mühl und Brus, die sich 1965 gemeinsam mit Schilling, Frohner und Schwarzkogler zur »Wiener Aktionsgruppe« erklären. Automatismus, Ekstase, dichtes sinnliches Erleben in symbolischen Handlungen sind die künstlerischen Mittel, um im bedrohend engen, geschichtsverdrängenden Klima der österreichischen Nachkriegsgesellschaft in der extremen Selbsterfahrung eine Befreiung von psychologischen, sozialen und moralischen Zwängen zu erreichen.
Im Zentrum steht der Körper, als Basis unseres Wahrnehmens, Denkens und Handelns. Er ist das eigentliche Material der Aktion, für den das Tier, an dessen totem Leib das Verdrängte stellvertretend ausgelebt wird, eintritt. DE

Von der Aktionsmalerei zum Aktionismus. Wien 1960–1965. Klagenfurth 1988


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