Author:   Kevin Wells  
Posted: 10.04.2002; 11:36:35
Topic: ARCHIV - DAS TIER IN MIR - KÜNSTLER 20
Msg #: 391 (Erste Nachricht zum Thema)
Prev/Next: 390/392
Reads: 1628

DAS TIER IN MIR << zurückweiter >>

Francis Bacon

FRANCIS BACON

Francis Bacon (geboren 1909 in Dublin, gestorben 1992 in Madrid) gehört zu den bedeutenden und legendären Persönlichkeiten der Malerei des 20. Jahrhunderts. Die Darstellung des Menschen als in unbändiger Vitalität wie in seelischer und metaphysischer Verlorenheit befangenes Wesen bestimmt sein Werk. Seine Bilder vereinen hohe Intensität mit künstlerischer Distanz. »Ich versuche lediglich Bilder zu machen, die so akkurat wie möglich meinem Nervensystem entnommen sind.«
Betrachtet man Körperhaltung und Anatomie, so scheint das Bild einen Affen im Käfig zu zeigen. Der eine Arm hängt herab. Die linke Hand umklammert die Stange, während der rechte Arm die Balance des unsicheren Sitzens auszugleichen sucht und doch ins Leere greift. Der Kopf ist zurückgeworfen, das Maul mit gebleckten Zähnen wie zum wahnsinnigen Schrei geöffnet. Der Körper erscheint nahezu durchsichtig. Die Gitterstäbe entmaterialisieren sich zur diagonal strukturierten Fläche, ein diffuser Außenraum hebt sich von der düster kalten Atmosphäre des Käfigs ab. Suggeriert der Titel die Darstellung eines Schimpansen, so blickt unverwandt ein dem Menschen nahestehendes Wesen den beunruhigten Betrachter an. Zudem zeigt sich der aufgerissene Mund zwischen aggressivem Schmerz, verzweifeltem Aufschrei und tiefem Atemholen als ergreifendes Bild körperlicher Geworfenheit, dem der gerichtete Blick Bewußtsein vom Selbst unterlegt.
Hier hat keine großmächtige Seelenempfindung mehr Platz, sondern gerade im Tier findet sich diesseits allen vernünftigen menschlichen Bewußtseins das Menschliche als in Leiblichkeit begründet. So schafft Bacon ein Zwischenreich der vitalen Existenz, skizziert den Raum zwischen Mensch und Tier in labiler Ambivalenz. Dabei geht es nie um Illustration, sondern um den Prozeß der Malerei, für Bacon »Austoben des Kopfes und der Hand« (Michel Leiris 1983). Er steht hier Georges Batailles Kritik an der fortwährenden »idealistischen Selbsttäuschung« nahe, die der Mensch an sich verübte. Das Menschliche im Tierischen oder Fast-Tierischen offenbart sich, wo Bacon sich als Maler und Künstler von seiner menschlichsten, existentiell betroffenen Seite zeigt. Sinn entsteht in der Abwesenheit von Sinn: »Ich halte das Leben für bedeutungslos, aber so lange wir leben, geben wir ihm Bedeutung.« DT

Peter Beye, Dieter Honisch (Hg.): Francis Bacon. Kat. Staatsgalerie Stuttgart, London 1985



<< nach obenweiter >>