Author:   Kevin Wells  
Posted: 10.04.2002; 11:33:02
Topic: ARCHIV - DAS TIER IN MIR - KÜNSTLER 09
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DAS TIER IN MIR << zurückweiter >>

DIANA THATER

In Diana Thaters Film »Electric Mind« (1996) gelingt es einem Neurologen, das Gehirn seiner toten Tochter als elektrische Kopie einem Schimpansen einzupflanzen. Der besondere Fall des schließlich als Person akzeptierten Schimpansen läßt uns allgemeine Sichtweisen hinterfragen: die holzschnitthafte Dualität von Mensch/Tier, Geist/Körper, Vernunft/Instinkt, mit der wir uns von unseren animalischen Ursprüngen abgrenzen. Immer wieder konfrontiert uns die 1962 in San Francisco geborene, in Los Angeles lebende Künstlerin in ihren Installationen mit Tieren, die scheinbar menschliche Eigenschaften besitzen bzw. annehmen.
In Thaters Menagerie sind die Tiere allesamt dressiert. Sie zeigt ein Zebra, das sich auf einen Zirkushocker quält, einen weißen Hengst, der nach der Peitsche tanzt. Ist es in »Electric Mind« ein Affe, den ein Filmteam sorgsam dirigiert, so wird in »A Confusion of Prints« ein Wolf zum Hollywood-Darsteller abgerichtet. In kurzen, gegeneinander geschnittenen Sequenzen sehen wir den tierischen Protagonisten in einem eingezäunten Übungsgelände. Wir beobachten, wie der 'wilde', weiße Wolf gezähmt und von Trainern – hat er sie als ranghöhere Rudelmitglieder anerkannt? – angeleitet wird. Die mediale Produktion, deren Zeugen wir werden, offenbart die Konstruiertheit unserer mentalen Bilder. Was wir alltäglich auf Tiere projizieren, wird hier professionell umgesetzt. Das Tier verwandelt sich in ein Bild unserer Vorstellungen von ihm. In der Installation jedoch wendet sich unversehens das Blatt, und die Tiere scheinen uns anzusehen.
»Mich interessiert die Überlagerung und der Austausch von Identitäten (...) Wenn ich diese Tiere mittels Video in den Kunstraum einführe, erhebt sich die Frage des Austauschs zwischen betrachtenden Subjekten und betrachteten Objekten.« (Thater 1998) Es gibt keinen festen Standpunkt, von dem
aus der Betrachter sich passiv vom Bildgeschehen distanzieren könnte. Von Monitoren und/oder Projektionen umgeben, bewegt er sich in der Arbeit, wechselt Perspektiven und nähert sich so dem Eigenen im Anderen an. Die Auseinandersetzung mit der Ähnlichkeit und Andersartigkeit der Tiere ermöglicht eine Relativierung des eigenen Ich: »Ich wäre lieber ein Delphin als ein Mensch.« (Thater 1999) FE

Diana Thater: Electric Mind. Gent 1996; Diana Thater – Selected works 1992–96. Kat. Kunsthalle Basel 1996; Parkett,
Nr. 60, 2000, 76–117


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