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inactiveTopic AUSSTELLUNGEN - KÜNSTLER 25 topic started 20.01.2002; 13:05:02
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user Kevin Wells - AUSSTELLUNGEN - KÜNSTLER 25  blueArrow
20.01.2002; 13:05:02 (reads: 8382, responses: 0)
BIG NOTHING << zurückweiter >>
Gerhard Merz

geboren 1947, lebt und arbeitet in Pescia und Berlin

»Strenge Arbeit vollzieht sich durch Verweigerung.« So wird das Werk zum Ergebnis all seiner Verwerfungen. Mit dem Wissen um das Unmögliche eines reinen Sehens führt die Kunst von Gerhard Merz an dessen Grenzen und fragt nach dem Wesen der Täuschung. Es gilt: »nur so viel visuelle Illusion, als nötig ist, diese wieder aufzulösen« (Beat Wyss). In der Tradition der Vermittlung eines Begriffs vom Erhabenen versteht sich auch die Kunst von Merz als Schwelle. Sie wird – pathetisch formuliert – zum Vorhang, der sich öffnet und den Betrachter in einen Zustand außerhalb seiner selbst katapultiert.
Die Rauminstallation »Pavillon« entsteht im Sommer 2000 für seine Werkschau im Kunstverein Hannover. Sie wird das zentrale Werkstück eines Ausstellungspro-jektes, in dem sich sein bisheriges Schaffen bündelt. Im Rahmen der in Hannover stattfindenden Expo bezieht sich Merz auf Mies van der Rohes Barcelona-Pavillon, den dieser 1929 für die Weltausstellung in Spanien entworfen hatte und der zu einem Schlüsselwerk der Moderne geworden ist. Auch der »Pavillon« von Merz arbeitet in kühler Reduktion mit Materialien der Moderne: Stahl, Glas und Neonlicht. In die tragende Konstruktion aus Stahl sind die Wände aus klarem und weißem Glas eingehängt. Erleuchtet wird die Installation von 10.000 Neonröhren, die den Raum in gleißende Helligkeit tauchen. Über zwei korridorähnliche Gänge betritt der Betrachter den Pavillon, der ihn an die Grenze zwischen logischer Konstruktion und überwältigender Erfahrung des Nichts versetzt. »Mythos«, so Beat Wyss, »ist ein hohes Konzentrat logischer Diskurse«. In der ästhetischen Schockerfahrung des »Geblendet-Seins« aber liegt die produktive Schwelle zu erweiterter Wahrnehmung. Das Motiv findet sich bereits in Platons »Höhlengleichnis«, als philosophischer Urerzählung über die kausale Beziehung zwischen Licht, Blendung und Erkenntnis. Im »Pavillon« von Gerhard Merz gerät die überwältigende Erfahrung zum rein technischen Produkt. Das gleißende Licht der 10.000 Neonröhren kann letztlich nur eine elektronische Erleuchtung bringen: Urphänomene gibt es nicht, der Sinn ist nicht etwas, das sich vorfinden läßt – weder in der Natur noch in der Technik. Merz verabschiedet sich von der Idee des Erhabenen, indem er zeigt, wie es gemacht wird, und darin das Werk grundsätzlich an das Ende der Kunst führt – ein Abschied auch von den Versprechungen der Moderne.