Author:   Kevin Wells  
Posted: 20.01.2002; 12:47:40
Topic: AUSSTELLUNGEN - KÜNSTLER 16
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BIG NOTHING << zurückweiter >>
Dieter Kiessling

geboren 1957 in Münster, lebt und arbeitet in Düsseldorf und Karlsruhe

Zwei Videokameras stehen sich in einer closed circuit Situation gegenüber und beobachten sich gegenseitig beim Beobachten: Die Kamera filmt die Kamera filmt die Kamera … Ihre Bilder werden unmittelbar auf zwei Monitore übertragen, die das face-to-face der Objektive flankieren. Das Handicap: In dieser Versuchsanord-nung von Dieter Kiessling stehen sich beide Kameras zu nahe. Ihr Autofocus kann kein scharfes Bild vom Gegenüber herstellen. Begleitet vom Geräusch der sich permanent einstellenden Objektive, versucht die Elektronik vergeblich ihr Bild zu gewinnen. In unregelmäßiger Choreografie zeigen sich ihre veränderlichen, aber immer unscharfen Bilder mal größer mal kleiner gezoomt auf den beiden Monitoren. Der surrende Ton der Autofocussysteme, der über die Lautsprecher der Monitore verstärkt wird, erhöht die unangenehme Wirkung der Installation, in die der Betrachter als Zeuge des permanenten Scheiterns des Bildmediums bei der Produk-tion seines Bildes sieht. In Dieter Kiesslings Arbeiten »gerät etwas in den Blick, das oft als unsichtbar beschrieben wird«, so Carina Plath. Sie überwinden die übliche Unsichtbarkeit technologischer Medien. Seine künstlerischen Untersuchungen entwickeln spezifische Situationen, die sich auf deren jeweilige hoch-technologische Bedingungen konzentrieren. Das aktuelle Bild einer absoluten Identität zwischen Abbildungsmedium und Abgebildetem vereitelt Kiessling in »Two Cameras«, indem er eine Situation doppelter Exklusivität schafft. Der Betrachter blickt auf eine in sich geschlossene Situation, die ihn ausschließt und ihn darüberhinaus kein Bild mehr von der Situation innerhalb gewinnen läßt. Ungewöhnlich für Kiesslings Œuvre ist die akustische Ebene in »Two Cameras«. Das geschäftige Surren des Autofocus verleiht beiden Kameras den Charakter von insektenhaften Wesen, deren Verhalten fremd bleibt, denn es gibt kein erkennbares System, nach dem beide Objekte miteinander verhandeln. Das technoide Anschauungsmodell läßt sich aber auch als Metapher für die Grundprinzipien der Wahrnehmung lesen: Wahrnehmung des Anderen ist nur möglich, wenn die Bedingungen seines Wahrnehmungsapparates grundsätzlich erfüllt werden. Der Imperativ: &Mac221;Du sollst dir kein Bild machen&Mac220; wird zum Fakt: &Mac221;Du kannst Dir gar kein Bild machen&Mac220;.