Author:   Kevin Wells  
Posted: 20.01.2002; 12:44:53
Topic: AUSSTELLUNGEN - KÜNSTLER 15
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BIG NOTHING << zurückweiter >>
Georg Herold

geboren 1947 in Jena, lebt und arbeitet in Köln

Eine kosmologisch dunkle Fläche – »ohne Titel« – schaut uns an. Erhaben scheint sie Respekt einzufordern: eine Leinwand so groß, als wäre sie von Barnett Newman, so schwarz wie von Ad Reinhardt. Aber was machen die gehäkelten Topflappen am oberen Bildrand und der rechten Seite? Knüpft das Werk etwa an die altehrwürdige Tafelbildtradition der »Fenestra aperta« an und die Lappen sind eine Gardinenbordüre am Küchenfenster von Georg Herolds Mutter? Ist die Küche ein Kosmos? »Wenn es eine Pfannkuchentheorie gibt, muß es auch eine Topflappentheorie geben«, sagt Georg Herold . Ist nicht jede einigermaßen umfängliche Theorie (gar die über den Zusammenhalt von Materie im Weltall) irgendwie zusammengestrickt? Auf jeden Fall hängt in einem Topflappen alles mit allem zusammen. Ähnlich kosmologische Grundweisheiten lassen sich auch auf die schwarze Masse auf der Leinwand anwenden: unraffiniertes Erdöl. »Zum Malen ist es fast brauchbar – bis auf den Umstand, daß es nicht trocken zu kriegen ist« (Herold). Insofern gilt: panta rhei – alles fließt (und tropft auf den Boden).
»Das dicke Licht« verstößt gegen die Malerübereinkunft, daß Licht nur mittelbar im Widerstrahl, als Auswirkung auf farbige Flächen darstellbar sei. Laut Titel zeigt uns der Balkenblock an der Wand einigermaßen kurz und bündig (0,40 x 1,60 x 0,20 m), was der gesamte Impressionismus stets indirekt thematisierte: das Licht selber. Die Vorstellung, daß Licht nicht nur eine bestimmte Wellenlänge habe, sondern eine bestimmte Länge (1,60 m), sei ihm hilfreich erschienen, so Herold, schon um ästhetische Sprechgewohnhei-ten und Interpretationsstandards auszuhebeln (wozu Balken immer taugen). Auf vertrackte Weise verteidigt Herold letztlich das Bildtabu direkter Darstellbarkeit gegen diskursive Ausdeutungsinflationen. Nach wie vor geht das, worum es in der Kunst geht, nicht in Text auf. Das ist der Nicht-Bereich, in dem Herold arbeitet. Unraffiniertes Erdöl ist ihm lieber als raffinierte Erkärungen, jeder Kalauer ein willkommenes und ernsthaftes Hilfsmittel, um Künstler/Interpreten-Übereinkünfte zu kündigen. »Mit der Erklärung verschwindet die Poesie«, zitiert eine Kunstkritikerin Georg Herold in der Einleitung einer längeren Erklärung seines Werkes. Für allzu kongeniale, einverstandene Interpretationen seiner Kunst hält Herolds umfängliches Werk u.a. eine beschriftete Dachlatte bereit, die immerhin in der Formel noch erhaben klingt: »Gemeinsam sind wir Arschlöcher (Nebenlatte)« (1984).