Author:   Kevin Wells  
Posted: 20.01.2002; 12:41:40
Topic: AUSSTELLUNGEN - KÜNSTLER 10
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BIG NOTHING << zurückweiter >>
Lucio Fontana

geboren 1899 in Rosario di Santa Fé, gestorben 1968 in Varese

Lucio Fontana widmet sein Werk der Erweiterung des Kunstbegriffs – auch auf der Grundlage naturwissenschaftlicher Dimensionen. Im »Spacialismo«, einer neuen Raum-Zeit-bezogenen Kunst, antwortet er auf Kubismus und Futurismus. »Ambiente spaziale« (1949) repräsentiert eine künstlerische Konzeption einer Zu-kunft, »die auf der Entwicklung der künstlerischen Mittel, auf Licht, Neon, Television und Radar beruht« (Fontana, nach 1949). Um 1958 vollzieht er in den »Concetti spaciali« die eigentliche revolutionäre Geste seiner Malerei. Durch Schnitt bzw. Stoß wird die über Jahrhunderte sakrosankte Fläche des Bildes unkorrigierbar und unwiederruflich geöffnet, ausgeführt in einer durch Meditation vorbereiteten Bewegung. Sinnlich faßbar wird so das Dahinter. Das tatsächlich Vorhandene, greifbare wie ungreifbare Reale wird mit in das Bild einbezogen. Der sinnlich-haptischen Qualität der Farbe wird unendliche, wenn auch illusionistische Tiefe – die Schnitte sind zumeist mit dunkler Gaze hinterlegt – einbeschrieben. Malerei und Skulptur werden in einen Ort überführt, der einem durch Dynamik und Geschwindigkeit geprägten Lebensgefühl entsprach. »Die unbeweglichen Bilder von früher befriedigen nicht mehr die Wünsche des neuen Menschen, der geformt wird vom Aktionsdrang und vom Zusammenleben mit der Mechanik, was eine beständige Dynamik erfordert. (...) Indem wir uns berufen auf diesen Wandel, der sich in der Natur des Menschen vollzogen hat, und auf die geistigen und moralischen Veränderungen in allen menschlichen Beziehungen und Tätigkeiten, verzichten wir auf den Gebrauch bekannter Kunstformen und beginnen die Entwicklung einer Kunst, die aus der Einheit von Zeit und Raum beruht« (Fontana, 1946). Damit wird der Unbestimmtheit des Bildes als Konkretum an der Wand eine neue realräumliche Dimension zugewiesen. »Ich habe Löcher gemacht, um etwas anderes zu finden (...) ich entfliehe im symbolischen, aber auch im materiellen Sinne der glatten Oberfläche (...) Das Loch ist freier Raum« (Fontana, 1968). In der Aura des Momentanen wird ein Geheimnis sichtbar, das einer »Theologie nach dem Tod Gottes«, nach dem Ende des Kosmos nahe kommt, das »Unendlichkeit bedeutet, das Unfaßbare, das Ende der Darstellung, den Beginn des Nichts« (Fontana, nach 1960).