Author:   Kevin Wells  
Posted: 08.11.2001; 18:56:50
Topic: ARCHIV - THE BEAUTY/REHBERGER - THEMEN/FRAGEN - 01
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THE BEAUTY OF INTIMACY - LENS AND PAPER << zurück0102weiter >>

Maurizio Cattelan, "Errotin, le vrai lapin”, 1995, Cibachrome, 86 x 60 cm



Daan van Golden, "Diana”, 1986, Fotografie, 36 x 28,5 cm




ZEITBILD(ER): PROVOZIERTE WIRKLICHKEIT


In aller Offenheit kann die Ausstellung "The Beauty of Intimacy – Lens and Paper" als ”Zeitbild” gelesen werden, weil alle gezeigten Werke in den vergangenen zwanzig Jahren, die meisten sogar nach 1990, entstanden sind. Jedes Werk, sei es statisches Bild oder dynamische Bildfolge, trägt Zeit in sich. In der Organisation und Reorganisation der inszenierten Bewegung der Formen steht die Zeit als Produktionsfaktor zwischen Subjekt und Objekt, zwischen Künstler und Kunstwerk.

Direkt übersetzen lässt sich unsere lineare Zeitauffassung auf die Zeichnungen, in denen sich die dynamische Bewegung eines Stiftes durch Raum und Zeit auf dem Papier manifestiert. Dagegen verführt die scheinbare Unmittelbarkeit der Fotos, ihr Wirklichkeitscharakter, allzu leicht dazu, die Zeitabhängigkeit gerade dieses Mediums zu vergessen. Nicht nur entscheidet hier die Belichtungszeit maßgeblich über das Resultat, sondern zumindest die traditionelle, nicht digital manipulierte Fotografie ist das Medium des Augenblicks schlechthin, der Bildbeweis für das zeitweilige Vorhandensein des Abgebildeten.

Nur selten geht es in den hier ausgewählten Werken allerdings um den richtigen Moment, den Schnappschuss. Fotokunst, wie sie sich hier präsentiert, ist die Organisation des Visuellen mit Hilfe der Inszenierung einer Vision. Ob dabei vorhandenes Bildmaterial re-fotografiert (Richard Prince), Regie vor der Kamera geführt (Alicia Framis, Sharon Lockhart) oder das Bild nachträglich bearbeitet wird (Mariko Mori, Piplotti Rist), ist dabei nur von sekundärer Bedeutung. Entscheidend ist die Möglichkeit, ein Bild zu entwerfen, Wirklichkeiten zu provozieren, visuell Hypothesen aufzustellen und diese in die Realzeit einzuspeisen, ohne sie darin aufgehen zu lassen.