Author:   Kevin Wells  
Posted: 08.11.2001; 18:51:46
Topic: ARCHIV - THE BEAUTY/REHBERGER - AUSBLICK
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AUSSTELLUNGEN AUSBLICK

Thomas Ruff


Thomas Ruff


THOMAS RUFF
17. NOVEMBER 2001 - 13. JANUAR 2002

Eröffnung: 16. November 2001, 19 Uhr
Pressekonferenz: 16. November 2001, 11 Uhr

Große Übersichtsausstellung zum Werk des Düsseldorfer Fotografen

Thomas Ruff, geboren 1958 in Zell am Harmersbach, ist aus der legendären Klasse für Fotografie von Bernd und Hilla Becher an der Düsseldorfer Kunstakademie hervorgegangen. In Baden-Baden wird sein vielschichtiges Schaffen erstmals in einer großen, alle seit 1979 entstandenen 15 Serien umfassenden Übersichtsausstellung gezeigt. Thomas Ruff gehört heute (wie seine ehemaligen Mitstudenten Thomas Struth und Andreas Gursky, die Amerikanerin Cindy Sherman, der Japaner Nobuyoshi Araki und der Kanadier Jeff Wall) zu den weltweit bedeutenden Fotografiekünstlern. Bereits mit 23 Jahren, noch als Student, begann Ruff, seine Arbeiten in wichtigen Galerien und Kunstinstitutionen in Deutschland, Frankreich, der Schweiz, Kanada, Holland, den USA, Italien, Belgien, England, Skandinavien, Spanien, Japan und Israel zu zeigen. Mit seiner seit 1986 entstandenen, großformatigen "Porträt"-Serie erlebte Thomas Ruff 1987/88 seinen Durchbruch am deutschen und internationalen Kunstmarkt. Inzwischen gibt es weltweit zwischen San Francisco und Canberra kaum wichtige Ausstellungshäuser, in denen Thomas Ruffs Bilder nicht in Einzel- oder Gruppenausstellungen gezeigt worden sind. 1992 nahm er an der documenta 9 teil und stellte 1995 (zusammen mit Katharina Fritsch und Martin Honert) im deutschen Pavillon auf der Biennale von Venedig aus. Für kleine, dialogintensive Projekte mit anderen Künstlern, etwa "Zuspiel" mit Georg Winter im Sprengel Museum Hannover 1996, nahm sich Ruff ebenso Zeit wie für die inzwischen mehrjährige Zusammenarbeit an großen Bauprojekten mit den Schweizer Architekten Jacques Herzog und Pierre de Meuron.
In die Zeit von Ruffs ersten großen Erfolgen in den achtziger Jahren fällt auch die erneute Diskussion, ob Fotografie Kunst sein könne. So deutlich die Antwort des Kunstmarktes seither ausgefallen ist - sie erklärt nicht konkret, woran sich das Sehinteresse in Thomas Ruffs Bildern festmacht und was genau an seiner Arbeitsweise künstlerisch zu nennen ist. Was zieht unseren Blick in diese Bilder hinein, verwickelt unsere Assoziationen in die fiktive Bildtiefe von Ruffs Fotografien, die uns zugleich immer deutlich machen, daß sie nur farbige Fotooberflächen sind, die andere Oberflächen abbilden? Warum wirken einige von Ruffs fotografischen Serien, etwa die "Porträts" in den achtziger Jahren oder die "Nudes" heute, so zeittypisch, warum scheinen sie geradezu Kommentare zu bestimmten gesellschaftlichen Stimmungen zu sein, ohne Gesellschaft und Politik direkt zum Thema zu haben? Warum arbeitet Thomas Ruff in Serien, obwohl eine einzelne Fotografie Ruffs, etwa von einem Haus oder einem Gesicht, keineswegs an ihrem Gegenstand abgleitet? Welches Interesse steckt hinter der Entstehung von bis jetzt 15, oft parallel weiterentwickelten Serien? Was genau besagt die häufig auf Ruff angewandte Formulierung, er thematisiere die Fotografie mit den Mitteln der Fotografie, wenn auf seinen Fotos stets Menschen, Häuser oder Sterne zu sehen sind? Und wie wären Thomas Ruffs "Haus"- Serie nach den fotografischen Gebäudearchiven von Bernd und Hilla Becher, wie seine "Porträts" nach August Sanders "Menschen des 20. Jahrhunderts" kunsthistorisch zu werten?
Diesen Fragen widmen sich Ausstellung und Katalog. Zu sehen sind u.a. Ruffs frühe, im Schwarzwald entstandene "Interieurs", die Serie der "Porträts", mit der Ruff August Sanders großangelegte Fotoserie des "Menschen des 20. Jahrhunderts" 60 Jahre später aufgriff und modifizierte, seine eindringlich nahen wie befremdend übergroßen "Porträts", die "Anderen Porträts", die Ähnlichkeit und Wiedererkennbarkeit mittels eines technisch zusammengesetzten Gesichtes beschwören, die geheimnisvoll, dabei schlicht technisch durchlichteten nächtlichen Stadtansichten und – aus der jüngsten Zeit die "Nudes", die das Verhältnis von vorrationaler Neugier des Blickes und pornografischer Körperveröffentlichung im Internet thematisieren. Sie zeigen, wie Thomas Ruff den Wahrheitsanspruch von Fotografie durch die Fotografie desillusioniert und dazu Fotografie als große Illusionsmaschine einsetzt.
Der Katalog mit Texten von Per Boym, Ute Eskildsen, Valeria Liebermann und Matthias Winzen gibt umfassende Einblicke ins Werk, enthält das erste komplette Werkverzeichnis zu Ruffs Schaffen und erläutert u.a. die These, dass Ruffs Fotografie nicht zuletzt deshalb als Kunst zu gelten hat, weil sie sehr genau die Paradoxien nicht nur des fotografischen Sehens, sondern von menschlicher Wahrnehmung überhaupt darstellt.
Die Ausstellung wird von der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden konzipiert und wird in Teilen ab dem 17. Februar 2002 im Museum Folkwang Essen und in Oslo (20. Januar – 5. April 2002), anschließend als Gesamtschau in der Städtischen Galerie im Lenbachhaus München gezeigt, um so dann nach Dublin, Porto, Liverpool sowie ab 2003 in die USA zu wandern.


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