Author:   Kevin Wells  
Posted: 08.09.2001; 16:30:01
Topic: ARCHIV - ICH BIN MEIN AUTO - KÜNSTLER 25
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ICH BIN MEIN AUTO << zurückweiter >>

Jason Rhoades, Fucking Picabia Cars/ Picabia Car
with Ejection Seat, 1997/2000, Flick Collection, Zürich


Jason Rhoades

Im Fußraum vor dem Beifahrersitz des Chevrolet Impala sind nicht Pappbecher und andere Verpackungen von Fastfood zu sehen, sondern eine Installation von Paul McCarthy. So erklärt der Fahrer, Jason Rhoades (geboren 1965), den Einbau seines Künstlerkollegen und früheren Lehrers an der UCLA in Los Angeles. Die Limousine wird zum Ausstellungsraum. Als alltagspraktische und als Ideen-Vehikel sind Automobile für Rhoades kraftvolle Beschleuniger, etwa wenn sich sein Atelier um einen regelmäßig (natürlich mit dem Auto) aufgesuchten Autofriedhof erweitert oder wenn der "Impala" zwei Ausstellungshäuser in Zürich und Nürnberg im realen Pendelverkehr oder als bedachtsam positionierte Parkplatzskulptur aufeinander bezieht.
Die Anregung, überhaupt Außenskulpturen aufzustellen, geht auf Rhoades´ Beobachtung des Markterfolges des Pontiac Fiero in den USA zurück. Vor allem durch sein Design bediente der zweisitzige Sportwagen Ende der achziger Jahre amerikanische Klischeevorstellungen von europäischer Hochwertigkeit, ohne tatsächlich pannensicher zu sein. Das machte den Fiero zu einer häufigen, oft sehr langfristig installierten "Außenskulptur" (Rhoades) vor amerikanischen Eigenheimen und regte den Künstler zu seinem "Monaco Fiero" (1994) an.
Aus der Welt vorstädtischer Autofreunde stammt auch der Ausdruck "cherry" (etwa: aufgemotzt) im Titel von "Cherry Makita" (1993). Als Mischung von Atelier und Autowerkstatt verknüpft die Installation die Rollen von Hobbymechaniker, Künstler und (fiktivem) Ex-Rennfahrer und zeigt in ihrem Zentrum einen Chevroletmotor, der mit seiner vollen Kraft an einen Heimwerkerbohrer ("Makita") angeschlossen ist. Der groteske Kraftüberschuß steht zum einen für phallische Energie, die Rhoades immer wieder als ebenso kruden wie grundsätzlichen Antrieb künstlerischer Arbeit vorführt. Zugleich steht die Übermotorisierung für den explosionsartigen Entwicklungsprozeß der Moderne, dem laut Rhoades alle Bremsen abhanden gekommen sind.
Häufig verbindet der Künstler in seinen Arbeiten Elemente von Willkür und Aggressivität mit fein abgestimmten Verweisstrukturen und einem geradezu ethnologischen Sensorium für Alltagsmythen der automobilen Konsumgesellschaft. Wie viele andere Arbeiten Rhoades´ ist "Fucking Picabia Cars / Picabia Car with Ejection Seat" (1997/2000) eine Weiterentwicklung aus vorherigen Installationszusammenhängen, in diesem Fall "The Intersection of the Autopursuits" (1997, Biennale Venedig). Die Autosilhouette ist nun kopfüber eingespannt in ein Gestänge, das seinen Gegenstand einerseits analytisch-investigativ zu präsentieren scheint und ihn andererseits mit groteskem Pathos himmelwärts dynamisiert. Der rote "Ejection seat", eigentlich Ausstattung eines Düsenjets, gleicht den automobilen Geschwindigkeitsrausch männlicher Sexualität an. Wie ein Same kann der Fahrer auf dem Höhepunkt einer wilden Tour aus dem Autokörper herausgeschleudert werden. MW

Eva Meyer-Hermann: Volume A Rhoades Referenz. Kat. Kunsthalle Nürnberg, Köln 1998