Author:   Kevin Wells  
Posted: 08.09.2001; 16:17:29
Topic: ARCHIV - ICH BIN MEIN AUTO - KÜNSTLER 11
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ICH BIN MEIN AUTO << zurückweiter >>

Zuzanna Janin

Zuzanna Janin

"Es gibt da eine Theorie, die mir gefällt: Jeder Organismus schafft sich sein Äußeres, das ein erkennbares Zeichen ist, und sein Inneres, das eine funktionale Maschine ist. Das Äußere hat visuelle Charakteristika, ist individualisiert und stellt das Ego heraus, während das Innere, die Apparatur, die das Weiterleben ermöglicht, nicht individualisiert ist, das heißt, es hat nur einen funktionellen, motorischen Charakter, keinen visuellen" (Zuzanna Janin). Die Frage wäre dann, ob wir als zeichentragende individuelle Hülle mehr umkleiden als ein maschinales, dabei selbstbewegtes Inneres – nicht: "Ich bin mein Auto", sondern: "Ich bin ein Auto".
In "Do You Really Know How To Do it" transponiert Zuzanna Janin eine Rummelplatzszenerie in den musealen Raum – durchaus eine Ironisierung der Institution. Die als jugendliches Freizeitvergnügen wohlvertraute Situation ist auf das Wesentliche reduziert: zwei Autoscooter, die in einem abgesicherten Feld gegeneinander antreten. Das Spielzeuggefährt wird als Panzer aus Metall und Gummi zur zweiten Haut seiner Fahrer, die es vor härteren Konsequenzen schützt. Auch wenn die Übertragung aus dem Alltagszusammenhang ohne weitere Gestaltungseingriffe erfolgt, wirkt die Installation symbolisch, als Zusammenspiel aus Physischem und Metaphorischem. Im Autoscooter geht es nicht um Geschwindigkeit, sondern um Geschicklichkeit. Es gilt, dem anderen möglichst kräftig an den Karren zu fahren, ohne selbst zu viel abzubekommen. Die existentielle Thematik des Unfalls wird auf der Ebene des Rummelplatzspieles verhandelt.
Die 1964 in Warschau geborene Zuzanna Janin entwickelt ihre Themen aus ihrer eigenen Geschichte, aus ihrer Erinnerung, ihrem Umfeld. In ihren Installationen entstehen Bilder, in denen sich Vergangenes und Zukünftiges mischt und in deren experimentellen Räumen der Besucher die eigene Geschichte mit einspielt. Erik van der Heeg verweist auf Prousts "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit", um das Phänomen einer außerzeitlichen Erzählung im Werk von Janin zu beschreiben, denn im ständigen Gleiten durch die Zeit gelingt es, auch hier Erinnerung zumindest für einen Moment außerhalb des Zeitflusses zu rekonstruieren. DE