BIG NOTHING << zurückweiter >>
Axel Lieber

geboren 1960 in Düsseldorf, lebt in Malmö/Schweden

Als Bildhauer hat Axel Lieber ein direktes Interesse an Dingen. Ihn beschäftigt am anfaßbaren Gegenstand nicht das symbolisch Verweis-hafte, politisch Relevante oder diskursiv ausführlich Verwertbare, sondern das konkrete Einzelne. Was passiert, wenn ich aus einem Holzschrank alle Zwischen- und Füllflächen heraussäge? Was verhüllen Wolldecken, die stabilisatorgetränkt über einem (unbekannten) später entfernten Gegenstand getrocknet worden sind? Luft? Nichts? Oder das, was wir als Betrachter unausweichlich hineinphantasieren?
Daß Liebers Ausgangsmaterialien Fundstücke des Alltags sind, gibt seinen Skulpturen und Installationen eine lakonische Gelassenheit, die nicht einmal das Provokationspotential des Ready-mades gegen das Artefakt in Anspruch nimmt. Denn Liebers Arbeiten sind sorgsam ausgedachte und ausgeführte Artefakte. Dabei führt die formale Konsequenz des Reduzierens und Weglassens dazu, daß zwar nicht alle All-tagsfunktionen, wohl aber alles Anekdotische verschwindet. Aus dem zweckbefreiten Schrank ohne Zwischenböden kann man immer noch die Schubladen herausziehen, die Schranktüre, die nichts mehr verdeckt, kann man immer noch aufschließen. Warum macht uns das durchsichtige Gerippe eines Schrankes neugieriger als ein konventioneller Schrank, der tatsächlich etwas vor unserem Blick verbergen könnte?
Eher beiläufig scheinen in Axel Liebers Dinguntersuchungen formale Thematiken der existentialistisch gestimmten Bildhauerei nach dem Zweiten Weltkrieg auf. Wie bei Henry Moore ist es das Loch im Material, das bewußt Weggelassene, das die skulpturale Gesamterscheinung dialektisch und paradox mit massiver Fülle ausstattet. Schien es bei Giacometti der drohend drängende Raum zu sein, der nur noch manisch abgeschabte, strichdünne Figuren übrigließ, so reduziert Liebers bildhauerischer Röntgenblick Alltagsgegenstände auf das Knochengerüst der Dinge, etwa beim »Sessel« (1999/2000).
Aber Liebers Ausgangsmaterialien stammen aus dem Keller oder vom Speicher, nicht aus existentiell beunruhigter Philosophie oder aus Weltkrieg II-Erlebnissen. Deshalb gerät ihm die Dialektik von strichhafter Raumumzeichnung und negativem Volumen weniger pathetisch. Deutlich wird so, was – bei aller existentieller Infragestellung – schon bei Giacometti und Moore ein gekonnter Bildhauertrick war. Einen Bluff inszeniert Lieber als Bluff, z.B. mit seinen »Memorials«. Die konkreten Dinge sind, was sie sind, und zugleich eben nicht.