ZWISCHENSPIEL

Imi Knoebel, Ich nicht XIV, 2006, Acryl, Aluminium,
315 x 381 x 8,4 cm, Courtesy the artist



Dan Flavin, Ohne Titel (for Donna) 5a, 1971,
Sammlung Fröhlich, Stuttgart



Yves Klein, Monochrome bleue, 1959,
Sammlung Siegfried Weishaupt



Gerhard Richter, Achtzehn Farben, 1966–1992, Museum Frieder Burda


Who’s Afraid of Red, Yellow and Blue?
Positionen der Farbfeldmalerei
Staatliche Kunsthalle Baden-Baden
21. Juli  – 30. September 2007
Eröffnung: Freitag, 20. Juli 2007, 19 Uhr
Pressekonferenz: Mittwoch, 18. Juli 2007, 11 Uhr

Seit vielen Jahrzehnten ist die Staatliche Kunsthalle Baden-Baden ein Glanzstück der Avantgarde. Hier hatten Künstler, die später weltberühmt wurden, ihre ersten großen Ausstellungen. Mit dem legendären Projekt 14 x 14 von Klaus Gallwitz und den ersten großen Überblicksausstellungen von Ellsworth Kelly, Bruce Nauman, Imi Knoebel und Dan Flavin unter der Leitung von Katharina Schmidt und Jochen Poetter wurde die Staatliche Kunsthalle Baden-Baden zu einem Anziehungspunkt für die internationale Kunst-szene. Who’s Afraid of Red, Yellow and Blue? Positionen der Farbfeldmalerei knüpft an diese Tradition an und thematisiert die Anfänge der minimalistischen Malerei. Zugleich markiert sie den Beginn der Ausstellungstätigkeit von Karola Grässlin, die den Schwerpunkt auf konzeptuelle und kontextuelle Fragestellungen der zeitgenössischen Kunst legen wird.

Color Field Painting bzw. Farbfeldmalerei gilt als erste im Blick auf Europa gleichberechtigte, internationale Kunstströmung, die sich in den 1940er und 1950er Jahren in den USA entwickelte. Sie steht für ein grund­legendes und zugleich radikales Hinterfragen der traditionellen Bildauffassung in der Malerei. Diese abstrakte amerikanische Malerei definiert sich ausschließlich über den visuellen Illusionismus und negiert die herkömmliche Abbildfunktion der Malerei. Erstmals soll die Leinwand ausdrücklich nicht mehr als ein Farbträger sein. Die individuelle Handschrift des Künstlers, der Pinselduktus und die Faktur werden bewusst negiert, wodurch die Farbe zugleich Form, Mittel und Inhalt der Malerei wird. Auch zwingt das häufig übergroße, das menschliche Blickfeld überschreitende Bildformat den Betrachter zu einer ver­änderten Wahrnehmung.

Eindrucksvoll werden diese Ideen durch die Gemälde Who's Afraid of Red, Yellow and Blue (1966-1970) von Barnett Newman illustriert, denen der Ausstellungstitel entlehnt wurde. In allen vier Versionen des Bildes wird die Leinwand von der kadmiumroten Farbfläche beherrscht. Je ein blauer und ein gelber Farb­balken – so genannte Zips – gliedern das rote Farbfeld. Nach Newmans Auffassung ist das Erhabene (the sublime) die höchste Bestimmung der Kunst. Ziel und Sinn seiner Malerei war es, dem Betrachter eine Erfahrung zu ermöglichen, die alles Vertraute übersteigt. Diese Bilder gehören zu den Inkunabeln der Kunst des 20. Jahrhunderts und werden heute von Museen nicht mehr ausgeliehen. Wir sind glücklich, dass wir das für unsere Ausstellung außerordentlich wichtige Gemälde Now I (1965) aus einer Privat­sammlung bekommen konnten. Wie in einer Formel hat Newman hier die Wahrnehmung von einer an Ort und Zeit gebundenen Malerei thematisiert. Mark Rothko glaubte, ein Gemälde könne zu einem Äquivalent eines Individuums werden und eine intime Beziehung zum Betrachter herstellen. Ein Bild benötige, so schreibt Rothko 1947, die Gesellschaft eines sensiblen Betrachters, um sich zu entfalten und zu wachsen. Verknüpft waren diese Ideen mit der Kritik an der traditionellen Malerei und ihrer Orientierung am Natur­vorbild sowie am Postulat der Schönheit. Newman fragt 1948: „[...] kann jemand irgendeinen europäischen Maler nennen, der fähig ist, sich vollkommen von der Natur zu befreien? Bei den Kubisten, den Fauvisten und den Surrealisten ist die Verbindung zur Natur ganz offensichtlich, [...]. Ebenso schafft Mondrian [...] eine diagrammatische Welt, welche das geometrische Äquivalent einer gesehenen Landschaft ist, der senkrechten Bäume und des Horizontes. [...] Die zur Rede stehenden amerikanischen Maler erschaffen eine völlig andersartige Wirklichkeit, um zu neuen, ungeahnten Bildern zu gelangen. Sie beginnen mit dem Chaos der reinen Phantasie und des reinen Gefühls, das heißt sie beginnen mit nichts, was auf physikalische, visuelle oder mathematische Gewissheiten zurückverweist, und sie bringen aus dem Chaos der Emotion Bilder hervor, welche diese bislang ungreifbaren Emotionen realisieren.“

Das Werk von Ad Reinhardt wurzelt einerseits im Umfeld von Barnett Newmann und Mark Rothko, andererseits steht es im Kontext des europäischen Konstruktivismus, der abstrakten Malerei eines Kasimir Malewitsch und Piet Mondrian. Aus der Stille der Bildereignisse heraus entwickelte Ad Reinhardt eine Malerei der metaphysischen Räume, Farben und Formen. In seinen Werken wird der Kunst eine dezidierte Geistigkeit erobert, ihre Autonomie betont und ihre Wirkung als auratisches Erlebnis unter­strichen. In der Reduktion und Sublimierung, im Löschen des Bildereignisses in der Dunkelheit der Farbe und in der Beschränkung der Form auf symmetrische Ordnungen, die keinen Ablenkungen mehr Raum geben, hat Ad Reinhardt seine Malerei an der Grenze der Sichtbarkeit immer stärker radikalisiert.

Schon früh entwickelte Ellsworth Kelly sein stets wiederkehrendes serielles Bildprinzip, bei dem ver­schiedenfarbige, jeweils monochrome Versatzstücke zu einem Bildganzen zusammengefügt werden. Die Farbflächen sind messerscharf getrennt, obgleich sie wuchtig aufeinander prallen. Die Bilder Kellys fordern vom Betrachter die Einbeziehung ihres Umfelds und erscheinen somit als Teil des realen Raumes unter denselben Wahrnehmungsbedingungen wie jeder andere Gegenstand in ihm.

Morris Louis und Kenneth Noland gelten als die wichtigsten Vertreter der Washington Color School, einer Gruppierung der Farbfeldmalerei, die in den späten 1950er und frühen 1960er Jahren die Ansätze der ersten Generation weiterführte. Auch ihr Interesse galt den Erscheinungsformen der Farbe, wobei ihre räumliche Struktur eine zentrale Position einnimmt. Die beiden Künstler entwickelten ihre Handschrift in der Technik des soak stain, bei der mit Acrylfarbe auf die ungrundierte Leinwand gemalt bzw. gegossen wird. Die Leinwand ist nicht nur Farbträger, sondern spielt beim Entstehungsprozess des Gemäldes eine zentrale Rolle: Sie saugt die Farbe auf und es entsteht ein tiefer Farbeindruck, der von der Oberfläche auf das Volumen des Bildes verweist.

Als Reaktion auf die vorherrschende abstrakte gestische Malerei erweiterten auch in Europa viele Künstler Anfang der 1960er Jahre die Grenzen ihrer bisherigen Arbeit. Die Entscheidung für die „Farbe als reine Ausdrucksform freier Sensibilität im Raum und der Kampf gegen die Linie als Begrenzung und Einkerkerung in formale und psychologische Denkvorgänge“ (Yves Klein, 1950/55) prägte den künstlerischen Entwurf von Yves Klein. In seinen Werken ist die Farbe kein Medium für gesteigertes Ausdrucks- oder Mitteilungs­verlangen. Klein verzichtet auf die Betonung ihrer materiellen Existenz und strebt so in vorher unbekannter Reinheit und Unberührtheit nach dem Absoluten. Bild und Farbe identifizieren sich vollkommen, das Bild wird zur Farbe, Farbe zum Bild. Das Bild als reines Farbobjekt fand seine konsequente Entsprechung in der Konzentration auf einen einzigen tragenden Ton. Palermo negiert in seinen Stoffbildern kategorisch jegliche individuelle künstlerische Handschrift. Seine Bilder aus eingefärbten Stoffbahnen besitzen keinerlei gemalte Materialität mehr, sondern sind radikal auf den farblichen Eindruck reduziert. Farbe ist hier nur noch visuelles Phänomen. Weil er nicht gewusst habe, was er malen solle, beginnt Gerhard Richter 1970 die Serie der grauen Bilder. Doch gerät die destruktive Motivation zur konstruktiven Aussage. Die grauen Farbfelder verkörpern in ihrer Unscheinbarkeit in geradezu illusionistischer Weise das Nichts. In der zweiten Hälfte der 1970er Jahre tauchen im Werk Imi Knoebels frei geschnittene Formgebilde sowie die Farbe in breitester Palette auf – ein für Knoebel folgenreicher Durchbruch. Er lässt nun dem Formträger selbst alle Gestaltungsfreiheit und ihn intuitiv seine Farbe selbst finden, bzw. auch umgekehrt der Farbe alle Freiheit für ihre passende Formgestalt. Die in der Ausstellung gezeigten Arbeiten aus der Serie 24 Farben für Blinky Palermo erweisen dem früh verstorbenen Freund malerische Referenzen. Auch Dan Flavin bricht Anfang der 1960er Jahre mit dem überkommenen Verständnis von Skulptur. Anstatt in sich geschlossene, plastische, autonome Gebilde von Hand zu meißeln, zu schnitzen oder zu schweißen, gehen seine Be­mühungen dahin, mit einem von allem Dekor gereinigten, variablen System und mit primären Strukturen Beziehungen und Wirkungen zwischen Raum und Objekt zu ergründen. Flavin versucht durch den Einsatz von Licht den Raum zu entgrenzen und dem Betrachter so zusätzliche Wahrnehmungsebenen zu eröffnen. Er malt mit farbigem Licht und verweist auf eine transzendente Lichtästhetik und -metaphorik, auch wenn er wiederholt betont, seinen Arbeiten hafte nichts Mystisches an.

Neben den Hardlinern der ersten Generation sind Künstler in der Ausstellung vertreten, die den hohen Stellenwert der Farbfeldmalerei für die Kunst der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts veranschaulichen. Die Werkzyklen von Günther Förg, Stephen Prina und Heimo Zobernig dokumentieren eine bis in die Gegenwart wirkende Auseinandersetzung zeitgenössischer, konzeptueller Malerei. Inhaltlich pointiert wird diese Beschäftigung in einer Bildserie von Imi Knoebel – mit einem Augenzwinkern beantwortet dieser Barnett Newmans rhetorische Frage Who's Afraid of Red, Yellow and Blue? in seiner Serie Ich nicht (2006).

Die Ausstellung Who’s Afraid of Red, Yellow and Blue? Positionen der Farbfeldmalerei mit Schlüssel­werken von Dan Flavin, Günther Förg, Ellsworth Kelly, Yves Klein, Imi Knoebel, Morris Louis, Barnett Newman, Kenneth Noland, Palermo, Stephen Prina, Ad Reinhardt, Gerhard Richter,
Mark Rothko und Heimo Zobernig wird in der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden vom 21. Juli bis zum 30. September 2007 zu sehen sein. Zur Ausstellung erscheint im Verlag der Buchhandlung Walther König ein umfassender, reich bebildeter Katalog mit Künstlertexten und einem Essay von Sebastian Egenhofer (168 Seiten, d./engl., 24 €, im Buchhandel 28 €, ISBN 978-3-86560-295-4).

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