DAS TIER IN MIR << zurückweiter >>

SARAH LUCAS

Zwei berühmte Kreationen amerikanischer Spaßkultur sind die Comicfigur Bugs Bunny und das Playboy-Häschen. Der schlacksige Comic-Hase Bugs Bunny mit seinem New Yorker Vorstadtakzent und seiner smarten Unverschämtheit bedient im Zeichentrick brutalisierte Vergnügungsfantasien. Hugh Hefners Playboy Bunny dagegen ist die weibliche Variante des vermenschlichten Tieres bzw. des animalisierten Menschen. Liefert es die gewünschten Maße an Busen und Po, wird es für den männlichen Lustgebrauch verziert mit weißen Häschenohren und einem niedlichen Stümmelschwänzchen.
Sarah Lucas‘ (geboren 1962 in London) Arbeit »Häschen gerät in eine schwierige Lage« läßt unmittelbar weder Hase noch Blondine erkennen. Der Titel, die Accessoires und ihre Anordnung aber konstruieren ein animalisches Bedeutungsspiel voll boshaften Humors, in dem sowohl die Projektionen des männlich brutalen Alltagshelden wie die des unterdrückten weiblichen Opfers aufscheinen.
Zu Lucas’ Installation gehören neben einem blauen Bürostuhl, Füllwatte und Draht vier Paar Nylonstrümpfe. Die Anzahl der Nylons – seit ihrer Erfindung reizsteigernder Fetisch – und ihre Inszenierung lassen kaum Zweifel am sexistischen Abgrund hinter dem Spielerischen von Titel und Machart dieser Arbeit. Mit Watte gefüllt, ist eine der beigen Nylonstrumpfhosen so über die Rückenlehne gestülpt, daß sie mit gespreizten Beinen auf der Sitzfläche des Bürostuhles zu liegen kommt. Über die langen dünnen Schenkel dieses
Wesens ohne Oberleib sind zwei weiße Strapse gestreift, die verdunkelte Naht im Schritt wird zum künstlichen Schamdreieck. Schlapp wie zwei Hasenohren hängt darüber eine weitere Strumpfhose rechts und links die Rückenlehne hinab, eine dritte, mit Watte gefüllt, knickt nach vorne ab. In der Alltagsikonographie ist der Bürostuhl ebenso Chefsessel (und damit Zeichen der Macht) wie Opferaltar des Bürohäschens. Auf ihm wird nicht nur der Fetisch Strumpfhose, sondern auch dessen Trägerin zum Objekt der Begierde und – mit aggressiv verniedlichendem Tiernamen versehen – zum entindividualisierten Sex-animal.
Letztlich aber ist es der Betrachter selbst, der in dieser hintersinnigen
Inszenierung von Sarah Lucas in eine schwierige Lage geraten kann: Sei es, daß er seine eigenen »Häschen«-Anteile wiedererkennt oder aber seine Lust an der fetischisierten Wahrnehmung ausgestellt sieht. DE



<< nach obenweiter >>