DAS TIER IN MIR << zurückweiter >>

Valie Export/Peter Weibel

VALIE EXPORT / PETER WEIBEL

Mit einem Seitenhieb gegen Wiener Künstlerkollegen, die um 1965/1970 mit orgiastischen Inszenierungen für Aufregung sorgten, erläutert Peter Weibel 1984: »Der bloße Einsatz des Tieres als Fleisch scheint den symbolischen Reichtum des Tieres zu verengen. Ich habe es daher vorgezogen, nur partielle Eigenschaften von Tieren zu verwenden, oder selbst als Tier zu sprechen, wie in meiner Fotosequenz 'Porträt des Künstlers als junger Hund' (1967) oder in der Aktion, gemeinsam mit Valie Export, 'Aus der Mappe der Hundigkeit' (1968), wo ich als Hund auf allen Vieren über die Straße marschierte.« An der Leine läßt Weibel (geboren 1945 in Odessa) sich von Valie Export (geboren 1940 in Linz) ins belebteste 'Gassi' Wiens, die Kärntner Straße, führen, wo die beiden öffentliches Aufsehen, Irritation und Wut erregen. In scheinbar absurder Verkehrung tradierter Beziehungsmuster von Mensch und Tier (sowie von Mann und Frau) führen sie ein Rollenspiel auf, das in Abwendung vom archaischen Pathos des Wiener Aktionismus auf eine Medienreflexion überleitet. Im Visier sind die konventionellen Informations- und Unterhaltungsstrategien der Massenmedien, die – so die Kritik der Künstler – durch ihre »Identifikationsstrukturen« Bild und Wirklichkeit gleichsetzten und das Bewußtsein betäubten (Weibel 1971). Wenn Weibel mit 'Frauchen' durch die Stadt kriecht, führen die beiden hingegen eine Art erweiterten Film (»expanded cinema«) vor, der unmittelbar in die Wirklichkeit hineinreicht und die Zuschauer mit realen Personen konfrontiert.
Die anscheinend perverse Handlung dieses »aktionsfilms« liefert die schonungslose Analyse einer Gesellschaft, die längst selbst pervertiert ist, diese Perversion aber nicht wahrnehmen will oder – aufgrund der verschleiernden Praktiken der Medien – nicht wahrnehmen kann. Die Rolle des Hundes offenbart den wahren Status des Menschen, der von seinesgleichen erniedrigt wird. Unter dem Slogan »Aus der Mappe der Menschlichkeit« beklagte eine humanitäre Vereinigung solche Mißstände – Export und Weibel wenden den Titel dialektisch: »hündisch zu gehen bedeutet, sich dem gang der zeit zu beugen, den gang der zeit zu zeigen! bedeutet, die utopie des aufrechten ganges in unserer tierischen gemeinschaft als uneingelöstes versprechen zu proklamieren.« (1970) FE

Symbol Tier. Kat. Galerie Krinzinger/ Forum für Aktuelle Kunst Innsbruck 1984; Exhibition. Kat. Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien 1994



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