Antal Lakner:
Metro Istanbul, 1997

Installation,
Digitaldruck auf Lichtbox, Schild,
Fotodokumentation unter Glas, Flyer,
Lichtbox 100 x 150 cm
Sammlung Lützenburger

 
Von Europa nach Asien in nur dreieinhalb Minuten!
Avupra-Asya sadece 3,5 dakika!

Mehr als eine Millionen Passagiere täglich!
Günde 1 milyondan fazla yolcu!

Die »Metro Istanbul« ist die erste interkontinentale Untergrundbahn der Welt. Durch die Linen Eurasia 1 und 2 werden ehemals sehr weit entfernte Orte in kurzer Zeit miteinander verbunden und die Distanz zwischen den zwei Kontinenten wird auf nur dreieinhalb Minuten reduziert.
Als Fortbewegungsmittel, das unabhängig vom Leben an der „Oberfläche“ von Istanbul funktioniert, verändert die »Metro Istanbul« Grund legend unsere Wahrnehmung der Stadt.
Die »Metro Istanbul« befördert täglich mehr als eine Millionen Passagiere in hochtechnologisierten, fahrerlosen, computer-gesteuerten Wagen.
Die Passagiere werden außerdem in speziellen, besonders schnellen Aufzügen nach unten auf die Bahnsteige und wieder hoch zur Stadt gebracht.
Der schnellen Orientierung dient der neu entwickelte, benutzerfreundliche Übersichtsplan über das Schienennetz.
Die »Metro Istanbul« bleibt auch im Falle eines Erdbebens oder im Kriegsfall voll funktionsfähig.
Kizil Elma, das türkisch-ungarische Tiefbauunternehmen, wünscht allen Passagieren eine gute Fahrt!

Seit 1997 wird Lakners künstlerisches Schaffen geprägt durch Prinzipien der Technik, des Konstruierens und Designs, darüber hinaus richtet sich seine Aufmerksamkeit auf globale Fragen. Sein Metro Istanbul Projekt entstand für die Istanbul Biennale 1997. Dazu brachte Lakner an den Bahnsteigen, an denen europäische Züge ankommen leuchtende Tafeln an, auf denen ein geplanter, aber noch nicht realisierter, zentraler U-Bahn-Bahnhof eingezeichnet war. Einwohner wie Touristen ließen sich von der sorgfältig gestalteten Karte gleichermaßen beeindrucken und täuschen.

Es zeigt sich auch in diesem Projekt Lakners kontinuierliches Interesse, kulturelle Brücken zu schlagen (Tangentiale – die Kulturbrücke Wien-Budapest, 1994). Mit der beeindruckenden Präzision eines professionellen Ingenieurs entwarf Lakner ebenso die Metro Istanbul, das erste interkontinentale Untergrundbahn System, das – in diesem Zusammenhang natürlich besonders im kulturellen Sinne – eine Verbindung zwischen Europa und Asien herstellt. Die Produktion durch ein türkisch-ungarisches Gemeinschaftsunternehmen namens Kizil Elma weckt historische Assoziationen und verweist auf die gemeinsame Geschichte des türkischen und des ungarischen Volkes.

Die genaue Übersetzung von Kizil Elma lautet »Roter Apfel«, im geschichtlichen Sinne bezeichnet der Ausdruck jedoch die Städte, die vom osmanisch-türkischen Kaiserreich erobert werden sollten. Diese unterschwellige Anspielung bezieht sich auf die eher unterschiedlichen Interpretationsansätze der Beziehung zwischen den beiden Kulturen: Ungarn bezeichnen diese Zeitspanne als türkische Besatzung, während die Türken von einer Ära fruchtbarer und glücklicher Freundschaft sprechen.

KIZIL-ELMA (oder KIZIL-ALMA), »Roter Apfel«, ist ein Ausdruck, der seit dem 16. Jahrhundert bis heute in Schriftquellen auftaucht. Man findet ihn aber ebenso in türkischen mündlichen Überlieferungen aus Anatolien und Aserbaijan, und in der modernen griechischen, bulgarischen und rumänischen Folklore. Er bezieht sich auf eine sagenumwobene Stadt, die das letztendliche Ziel türkisch-muslimischer Eroberungen sein sollte. Andere Auslegungen erklären den Begriff vor dem Hintergrund der Ähnlichkeit zwischen einem roten Apfel und der goldenen Kuppel eines Gebäudes, einer große Kirche, die an diesem Ort vermutet wurde. Während der osmanischen Herrschaft wurden mit Kizil-Elma die großen Städte bezeichnet, die mit dem Christentum verbündet waren - Konstantinopel, Budapest, Wien und Rom - und die die Armeen des Padishah (Padischa: Großherr, Titel des regierenden osmanischen Sultans) hofften diese zu erobern. [1]

[1]: Vgl. J. Deny, »Les pseudo-prophéties concernant les Turcs au XVI. Siècle«, in: REI, X/2, 1936, S. 201-220; E. Rossi, »La legenda turco-bizantina del Pomo Rosso«, in: Actes du V. Congres international des études byzantines, Rome, 1936, S. 542-553.

Text: Erzsébet Tatai, 2001