Hüseyin Karagöz:
Bahar/ Spring, 2004

DVD
53:00 Min, Farbe, Ton
Courtesy Hüseyin Karagöz

 
Leben mit verschiedenen Namen und Gesichtern

Bahar ist ein 52-minütiger Dokumentarfilm über einen türkischen Transsexuellen, dessen turbulentes Leben durch eine Reihe von Identitätswechseln und Verwandlungen gekennzeichnet ist. Nachdem er seinen ursprünglichen Namen, Mustafa, abgelegt hatte, nahm er mit jedem neuen Selbst auch einen anderen Namen an: Zuerst wurde er zu Ayla (Aura), dann zu Ülkü (Ideal) und schließlich zu Bahar (Frühling). Der Film wurde in Istanbul gedreht und besteht in erster Linie aus Interviews mit Bahar aus der Zeit ihrer lang ersehnten Gesichtsoperation.

Bahar war meine Nachbarin. Als ich einzog, stellte sie sich mir als Bahar vor, doch ich bemerkte, dass ihre Post an ein Fräulein Ülkü adressiert war. Durch ein Gespräch mit dem Hausmeister fand ich heraus, dass sie Ülkü Feray, die berühmte Bauchtänzerin der späten 70er war, an deren Namen ich mich aus meiner Jugend erinnerte. Während ich herauszufinden versuchte, wer die Person hinter all diesen Namen war, zog sie in die Schweiz. Später heiratete sie dort und hieß nun Ülkü Zumsteg.

2002 kehrte sie für einige Tage nach Istanbul zurück. Sie wollte sich einer Gesichtsoperation unterziehen, von der sie sich die Beseitigung unschöner Spuren eines früheren Eingriffs erhoffte. Damals fragte ich sie, ob ich sie zu ihrem Leben befragen könne. Nach einigem Zögern stimmte sie den Filmaufnahmen zu und dies war der Anfang einer tiefen und schmerzlichen Verbindung, die sich zwischen uns entwickelte. Ich interviewte sie in der Nacht vor und am Tag nach ihrer Gesichtsoperation. Die letzten Aufnahmen fanden zehn Tage später, kurz vor ihrer Rückreise in die Schweiz, statt.

Zu Beginn der Aufnahmen war mein vorrangiges Anliegen herauszufinden, wie man ein Leben mit so vielen Namen und Gesichtern leben konnte. Im Laufe unserer Gespräche erkannte ich, wie mutig Bahar dafür gekämpft hatte, einfach nur sie selbst zu sein. In gewisser Hinsicht war sie ein gefühlsbetontes Mädchen, eine frustrierte Bauchtänzerin, die immer noch Träume hatte, ein starker und entschlossener Mann, ein sehnsuchtsvolles Kind und eine weise, reife Frau:

»Mustafa, Ayla, Ülkü, Bahar, Chanelle... Sie alle sind ich, keiner von ihnen ist ich...
Aber ich habe es mit meiner Seele getan.«

Bahar hat mir nicht nur gezeigt, wie man ein Leben mit vielen Namen und Gesichtern lebt, sondern auch wie man sich dem Leben stellt, wie man Schmerz und Freude akzeptiert, wie man Regeln bricht und Grenzen weiter steckt – sowohl die Grenzen der Gesellschaft, als auch die Grenzen des Selbst...

Text: Hüseyin Karagöz