Nicoline van Harskamp:
12 Saatlik , 2003
Guide to Istanbul Guards, 2003

Live-Installation,
Video, 6:09 Min, Ton, Farbe;
Booklet, Guards
Nicoline van Harskamp, Courtesy ZKM

 
Die holländische Künstlerin Nicoline van Harskamp beschäftigt sich seit ihrem Aufenthalt als Gastkünstlerin am Platform Garantie Contemporary Arts Center in Istanbul im Jahr 2003 mit dem Phänomen der indirekten Überwachung durch private Sicherheitskräfte.
Van Harskamp beobachtete das öffentliche Leben der Megapolis Istanbul intensiv und stellte fest, dass enorm viele uniformierte Sicherheitskräfte in den Strassen, auf Plätzen und vor wichtigen Gebäuden stehen, oder in weißen Plastikkabinen sitzen, die am Straßenrand aufgebaut sind. Viele von ihnen gehören nicht den offiziellen Behörden wie der Polizei oder dem Militär an, sondern werden von privaten Sicherheitsfirmen beschäftigt. Für Fremde ist es häufig schwer einen privaten Sicherheitsbeamten von einem Polizisten zu unterscheiden, da sich ihre Uniformen sehr ähnlich sind.

Das Phänomen der Überwachung und Sicherung von öffentlichem Raum durch private Sicherheitsfirmen (özel güvenlik) lässt sich in Istanbul erst seit Ende des ersten Golfkrieges, 1991, beobachten. Politische Spannungen und die wachsende Angst vor Terroranschlägen verstärkten das Interesse an Überwachung und dem Schutz der öffentlichen Sicherheit. Während anfangs nur wenige Sicherheitsfirmen wichtige Einrichtungen und Personen schützten –Kaufhäuser oder bekannte Persönlichkeiten - gibt es inzwischen über 400 Firmen, die nun auch für die allgemeine öffentliche Sicherheit sorgen. Der untere Teil der Galata Brücke wird beispielsweise von privaten Sicherheitskräften überwacht, während der obere Teil von staatlichen Sicherheitsbeamten bewacht wird - so vermischt sich das öffentliche mit dem privaten Überwachungssystem. Die privaten Sicherheitsleute haben weit weniger Befugnisse als ihre staatlichen Kollegen, doch durch ihr Auftreten in Uniform flössen sie aber ähnlich viel Respekt ein.

Für ihr Projekt 12 saatlik [12 Stunden von...] engagierte Nicoline van Harskamp zwei Männer, die einen Tag lang als Sicherheitskräfte verkleidet in Istanbul unterwegs waren. Für ihre fiktive Sicherheitsfirma »12 saatlik« entwarf die Künstlerin eigens Uniformen, kreierte falsche Ausweise und verfolgte den 12-stündigen »Arbeitstag« ihrer Sicherheitskräfte diskret mit der Videokamera. Es entstand eine Dokumentation, die einen interessanten und überraschenden Einblick in den Arbeitsalltag der privaten Sicherheitsmänner und das private und öffentliche Überwachungssystem von Istanbul gibt.

Die beiden Männer wurden nirgendwo kritisch betrachtet, sie gingen in der Masse der anderen Uniformierten unter und reihten sich ein. Sie wurden sogar von anderen »Kollegen« auf einen Tee eingeladen, sprachen mit Polizisten und Soldaten, betätigten sich als Verkehrspolizisten oder Sicherheitskräfte in der U-Bahn. Allein ihre Uniform berechtigte sie dazu.

Harskamp stellte aus diesen Beobachtungen und Erkenntnissen darüber hinaus eine kleine Broschüre zusammen, in der sie die verschiedenen Sicherheitskräfte Istanbuls mit Uniform und Aufgabengebiet darstellt und nannte diese A little Guide to Istanbul Guards [Ein kleiner Führer der Istanbuler Sicherheitskräfte].
Im ZKM wird das Aufsichtspersonal für die Dauer der Ausstellung Call me ISTANBUL ist mein Name extra angefertigte Uniformen von Nicoline van Harskamp tragen.

Text: Miriam Stürner