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wittgenstein

bild von wittgenstein:

auszuege aus wittgenstein: tractatus...der mauthner gesellschaft more...

4.01

Der Satz ist ein Bild der Wirklichkeit. Der Satz ist ein Modell der Wirklichkeit, so wie wir sie uns denken.

4.011

Auf den ersten Blick scheint der Satz - wie er etwa auf dem Papier gedruckt steht - kein Bild der Wirklichkeit zu sein, von der er handelt. Aber auch die Notenschrift scheint auf den ersten Blick kein Bild der Musik zu sein, und unsere Lautzeichen- (Buchstaben-) Schrift kein Bild unserer Lautsprache. Und doch erweisen sich diese Zeichensprachen auch im gewöhnlichen Sinne als Bilder dessen, was sie darstellen.

4.012

Offenbar ist, daß wir einen Satz von der Form "aRb" als Bild empfinden. Hier ist das Zeichen offenbar ein Gleichnis des Bezeichneten.

4.013

Und wenn wir in das Wesentliche dieser Bildhaftigkeit eindringen, so sehen wir, daß dieselbe durch 'scheinbare Unregelmäßigkeiten' (wie die Verwendung der # und b in der Notenschrift) 'nicht' gestört wird. Denn auch diese Unregelmäßigkeiten bilden das ab, was sie ausdrücken sollen; nur auf eine andere Art und Weise.

4.014

Die Grammophonplatte, der musikalische Gedanke, die Notenschrift, die Schallwellen, stehen alle in jener abbildenden internen Beziehung zueinander, die zwischen Sprache und Welt besteht. Ihnen allen ist der logische Bau gemeinsam. (Wie im Märchen die zwei Jünglinge, ihre zwei Pferde und ihre Lilien. Sie sind alle in gewissem Sinne Eins.)

4.0141

Daß es eine allgemeine Regel gibt, durch die der Musiker aus der Partitur die Symphonie entnehmen kann, durch welche man aus der Linie auf der Grammophonplatte die Symphonie und nach der ersten Regel wieder die Partitur ableiten kann, darin besteht eben die innere Ähnlichkeit dieser scheinbar so ganz verschiedenen Gebilde. Und jene Regel ist das Gesetz der Projektion, welches die Symphonie in die Notensprache projiziert. Sie ist die Regel der Übersetzung der Notensprache in die Sprache der Grammophonplatte.

4.015

Die Möglichkeit aller Gleichnisse, der ganzen Bildhaftigkeit unserer Ausdrucksweise, ruht in der Logik der Abbildung.

4.016

Um das Wesen des Satzes zu verstehen, denken wir an die Hieroglyphenschrift, welche die Tatsachen die sie beschreibt abbildet. Und aus ihr wurde die Buchstabenschrift, ohne das Wesentliche der Abbildung zu verlieren.

4.021

Der Satz ist ein Bild der Wirklichkeit: Denn ich kenne die von ihm dargestellte Sachlage, wenn ich den Satz verstehe. Und den Satz verstehe ich, ohne daß mir sein Sinn erklärt wurde.

4.022

Der Satz zeigt seinen Sinn.Der Satz zeigt, wie es sich verhält, wenn er wahr ist. Und er sagt, daß es sich so verhält.

4.023

Die Wirklichkeit muß durch den Satz auf ja oder nein fixiert sein. Dazu muß sie durch ihn vollständig beschrieben werden. Der Satz ist die Beschreibung eines Sachverhaltes. Wie die Beschreibung einen Gegenstand nach seinen externen Eigenschaften, so beschreibt der Satz die Wirklichkeit nach ihren internen Eigenschaften. Der Satz konstruiert eine Welt mit Hilfe eines logischen Gerüstes und darum kann man am Satz auch sehen, wie sich alles Logische verhält, wenn er wahr ist. Man kann aus einem falschen Satz Schlüsse ziehen.

4.024

Einen Satz verstehen, heißt, wissen was der Fall ist, wenn er wahr ist. (Man kann ihn also verstehen, ohne zu wissen, ob er wahr ist.) Man versteht ihn, wenn man seine Bestandteile versteht.

4.025

Die Übersetzung einer Sprache in eine andere geht nicht so vor sich, daß man jeden 'Satz' der einen in einen 'Satz' der anderen übersetzt, sondern nur die Satzbestandteile werden übersetzt. (Und das Wörterbuch übersetzt nicht nur Substantiva, sondern auch Zeit-, Eigenschafts- und Bindewörter etc.; und es behandelt sie alle gleiche.)

4.026

Die Bedeutungen der einfachen Zeichen (der Wörter) müssen erklärt werden, daß wir sie verstehen. Mit den Sätzen aber verständigen wir uns.

4.027

Es liegt im Wesen des Satzes, daß er uns einen 'neuen' Sinn mitteilen kann. 4.03

Ein Satz muß mit alten Ausdrücken einen neuen Sinn mitteilen. Der Satz teilt uns eine Sachlage mit, also muß er 'wesentlich' mit der Sachlage zusammenhängen. Und der Zusammenhang ist eben, daß er ihr logisches Bild ist. Der Satz sagt nur insoweit etwas aus, als er ein Bild ist.

4.031

Im Satz wird gleichsam eine Sachlage probeweise zusammengestellt. Man kann geradezu sagen: statt, dieser Satz hat diesen und diesen Sinn; dieser Satz stellt diese oder diese Sachlage dar.

4.0311

Ein Name steht für ein Ding, ein anderer für ein anderes Ding und untereinander sind sie verbunden, so stellt das Ganze - wie ein lebendes Bild - den Sachverhalt vor.

4.0312

Die Möglichkeit des Satzes beruht auf dem Prinzip der Vertretung von Gegenständen durch Zeichen. Mein Grundgedanke ist, daß die "logischen Konstanten" nicht vertreten. Daß sich die 'Logik' der Tatsachen nicht vertreten läßt.

4.064

Jeder Satz muß 'schon' einen Sinn haben; die Bejahung kann ihn ihm nicht geben, denn sie bejaht ja gerade den Sinn. Und dasselbe gilt von der Verneinung, etc.

4.0641

Man könnte sagen: Die Verneinung bezieht sich schon auf den logischen Ort, den der verneinte Satz bestimmt. Der verneinende Satz bestimmt einen 'anderen' logischen Ort als der verneinte. Der verneinende Satz bestimmt einen logischen Ort mit Hilfe des logischen Ortes des verneinten Satzes, indem er jenen außerhalb diesem liegend beschreibt. Daß man den verneinten Satz wieder verneinen kann, zeigt schon, daß das, was verneint wird, schon ein Satz und nicht erst die Vorbereitung zu einem Satze ist.

4.1

Der Satz stellt das Bestehen und Nichtbestehen der Sachverhalte dar.


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